Aufgrund der wiederholten Ladenschließungen und der damit verbundenen Einschränkungen beim stationären Shopping sind die Retailer mehr denn je gezwungen, Konsumenten auf neuen (Vertriebs-) Kanälen zu erreichen. Mittlerweile sind in Österreich etwa 42 % der stationären Einzelhändler im Internet vertreten (Quelle: KMU Forschung Austria). Neben dem attraktiven Onlineauftritt erwarten Konsumenten auch eine direkte Warenverfügbarkeit und adäquate Liefergeschwindigkeit. Der steigende Onlinehandel in Kombination mit höheren Umsatzanteilen durch die Implementierung von Maßnahmen wie beispielsweise Click & Collect werden zwar nach und nach State-of-the-Art, stellen aber auch die Logistik der Konzepte vor neue Herausforderungen. So beobachten wir neue Konzepte aus dem Segment des E-Commerce, die auf den Markt drängen und sich genau dieser Aufgabe widmen, das Ziel der Kundschaft eine Same-Day/ Next- Day-Delivery zu gewährleisten.
Gravierendere Veränderungen werden sich in den am stärksten von den Lockdowns betroffenen Branchen wie Fashion, Schuh & Leder, Schmuck und Parfümerie abzeichnen. Wir gehen davon aus, dass wir zukünftig in diesen Bereichen eine Neudurchmischung erleben werden, sprich einen Mix aus neuen Konzepten, angepassten Flächenkonzeptionen, Filialnetzoptimierungen aber auch Ladenschließungen. Die Produktinszenierung zur Untermalung des haptischen Produkterlebnisses werden zu nehmen, um neue Anreize zum Einkaufen zu schaffen. Der Markt von morgen wird somit von Nutzungen abseits der klassischen Vertriebslinien im stationären Einzelhandel geprägt sein. Nämlich durch Alternativnutzungen, Direktvertrieb von Produzenten und Herstellern, E-Mobilität-Konzepte, aber auch Nutzer aus anderen Branchen wie zum Beispiel „Flexible Workspaces“, die Geschäftslokale anmieten und Einkaufsstraßen bereichern können. Online Pure-Player dürften nun zukünftig außerdem häufiger stationäre Dependancen bespielen. Diese Entwicklung spricht letztlich für eine Stärkung von Flagship-Stores bzw. Monobrand-Stores und entsprechend für Standortentscheidungen, welche weniger anhand von Mietkosten als vielmehr von der Qualität oder dem Marketingeffekt eines Standortes getroffen werden.
Aufgrund der einschneidenden Gegebenheiten der vergangenen Monate, in Kombination mit den daraus resultierenden Trends werden Anpassungen bei Mietverträgen ein immer wichtiger Bestandteil bei Anmietungsprozessen. Neben Pandemieklauseln sehen Retailer vor, sich weniger langfristig zu binden, was dazu führt, dass Mietvetragslaufzeiten kürzer gehalten werden oder Ausstiegsszenarien definiert werden. Zudem fordern Retailer eine Anpassung der Mietniveaus durch die Erkenntnisse der Corona-Pandemie, die u.a. mit Staffelmietkomponenten, mietfreie Zeiten, sowie umsatzabhängige Mieten einhergehen.
Im Zuge der Vermarktungen beobachten wir einen generellen Trend zur Verkleinerung von Shopflächen und immer mehr individuellere, an den Standort angepasste Lösungen seitens Mietinteressenten. Bei Geschäftsflächen mit vertikaler Geschossstruktur erleben wir Potenzial zur Umnutzung obergeschossiger Mietflächen – u.a. durch Büronutzungen, medizinische Versorgung, Serviced Apartments oder Self Storage.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Marktberichtes befindet sich Österreich im 4. Lockdown, der den heimischen stationären Einzelhandel nun erneut im anlaufenden Weihnachtsgeschäft trifft. Auch heuer gehen Experten davon aus, dass der Distanzhandel daher wieder sehr vom Weihnachtsgeschäft profitieren wird. Der Lockdown soll zwar mit Mitte Dezember ein fixes Ablaufdatum haben, wodurch im Vergleich zu Lockdowns zuvor für Händler und Gastronomen eine gewisse Planbarkeit ermöglich wird, einschneidende Umsatzverluste sind dennoch zu erwarten. Lösungen wie Click & Collect können diese Verluste zwar entgegen wirken, gemäß Angaben der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz entgehen dem stationären Einzelhandel während des aktuellen Lockdowns allerdings Umsätze von bis zu 140 Mio. Euro pro Tag. Da Händler durch die vergangenen Lockdowns und Restriktionen bereits zahlreiche Erfahrungen sammeln konnten, bringt eine gewisse Routine die Möglichkeit bestmöglich und proaktiv auf die aktuellen Einschränken zu reagieren. Hinzu besteht aller Voraussicht nach die Chance weitere Umsatzeinbrüche durch die Öffnungen ab Mitte Dezember etwas abzufedern.