Weit weg von Normalität
Der Shutdown im heimischen Einzelhandel ist mittlerweile vorbei: Seit 2. Mai dürfen nun alle rund 22.400 heimischen Einzelhandelsgeschäfte* ihre Pforten öffnen. Von der Normalität aus Vor-Corona-Zeiten sind die meisten Geschäfte, Einkaufsstraßen und -zentren allerdings weit entfernt, lässt vielfach doch die Frequenz der Kunden und die Kauflust zu wünschen übrig. Zudem fehlen weiterhin noch die Touristen sowie die Arbeitnehmer, da die Grenzen noch nicht alle wieder geöffnet sind und einige Firmen weiterhin auf Homeoffice setzen – dieser Trend wird sicherlich noch länger andauern. All das, sowie die Kurzarbeit, die auch noch bei zahlreichen Händlern gegeben ist, hat dazu geführt, dass so manches Geschäft nur für wenige Stunden am Tag geöffnet ist.
Ungewisse Zukunft
„Viele Eigentümer und Retailer fragen sich daher jetzt: „Wie wird die Situation in der Einzelhandelslandschaft zukünftig aussehen“, berichtet Patrick Homm, MA, Leiter Immobilienvermarktung Gewerbe bei OTTO Immobilien und schränkt ein: „Zum jetzigen Zeitpunkt kann niemand eine klare Zukunftsprognose abgeben. Zum einen steht die Frage im Raum, ob wir bereits jetzt die schwierigste Zeit mit diesem einmaligen Lockdown überstanden haben, zum anderen sind die Auswirkungen der letzten Wochen sicherlich noch nicht auf dem Höhepunkt angekommen“, so der Retail-Experte. Erste Insolvenzen vor allem im Modehandel hat es bereits gegeben, so manch weitere wird befürchtet.
Hoher Schaden
Der dem Handel durch die Schließung entstandene Schaden ist enorm: Pro Shutdown-Tag hat der stationäre Einzelhandel in Österreich bis zur ersten Öffnungswelle täglich rund 110 Mio. € Brutto-Umsatz und danach rund 80 Mio. € Brutto-Umsatz verloren.* Aber auch die Vermieter müssen Verluste in Form von ausbleibenden Mieten und Betriebskosten verzeichnen. Aus Sicht der Shopflächen-Bestandsgeber dürfte sich der gesamte Verlust eines Monats in Österreich auf rund 200 Mio € (Miete und Betriebskosten) belaufen.*
Strukturwandel beschleunigt
Durch die Pandemie wurden die Entwicklungen im Einzelhandelssektor nun massiv beschleunigt und die Auswirkungen für die einzelnen Händler und Eigentümer werden bereits teilweise spürbar. Das gilt nicht nur für die Konsumzurückhaltung. „Man kann davon ausgehen, dass unser Reiseverhalten und auch der Umgang mit Homeoffice unser Leben nachhaltig beeinflussen wird und somit natürlich auch eine Auswirkung für den Einzelhandel mit sich bringt“, sagt Homm.
Suche nach guten Lösungen
„Daher können wir weiterhin nur die Empfehlung aussprechen, dass proaktiv offene Gespräche geführt werden, um eine einvernehmliche und nachhaltige Lösung zu finden“, so Homm. Jeder sollte sich bewusst sein, dass die Krise beide Seiten vor massive Herausforderungen stellt und nicht nur eine Seite davon betroffen ist. Bei den Mietern sind es häufig unverkaufte Waren, Neubestellungen, Mietbelastungen, Anpassungen des eigenen Konzeptes und natürlich die ausgebliebenen Umsätze. Auf der Eigentümerseite handelt es sich dabei um Problemstellungen wie ausbleibende Mieten, während die Kosten für Kredite, Instandhaltungsmaßnahmen, etc. weiterlaufen. Für die aktuellen Schwierigkeiten gebe es leider keine pauschale Lösung, jeder Fall sollte im Detail betrachtet werden. „Die Anforderungen sowie die Bedürfnisse der einzelnen Akteure sind sehr unterschiedlich, sodass auch hier erneut nur ein offener Austausch die Lösung sein sollte“, gibt Homm zu bedenken.
Gemeinschaftliches Vorgehen
Für die Zukunft werde es noch wichtiger sein, dass Eigentümer und Mieter gemeinschaftlich an der Weiterentwicklung des Handels arbeiten. Dabei wird der Online-Sektor eine nachhaltige Rolle spielen und damit verbunden auch die optimale Verknüpfung von online/offline. „Die Kompromissbereitschaft sowie der partnerschaftliche Gedanke sollten auf allen Seiten in der aktuellen Situation im Vordergrund stehen, um gemeinsam in eine positive Zukunft zu blicken“, sagt Homm.
* Quelle: STANDORT + MARKT