Finanzierung: Investoren mit Eigenkapital im Vorteil
Die größten Variablen im Investmentmarkt sind Lukaschek zufolge aktuell die Entwicklung der Kreditvergabe sowie die mittelfristige Margenentwicklung seitens der Banken. Selbst wenn deren Kapitalausstattung unverändert gut sei, würde sich angesichts bestehender wirtschaftlicher Risiken und möglicher regulatorischer Vorgaben eine gewisse Preiserhöhung abzeichnen. „Zumindest in Österreich ist diese aktuell noch sehr gering“, berichtet Dkfm. Lukaschek. Investoren mit hohem Eigenkapitalanteil seien daher klar im Vorteil – von denen gebe es zumindest im Core-Segment genügend am Markt.
Gute Karten für Österreich
Internationale und hier vor allem deutsche Investoren, waren in den letzten Jahren mit bis zu 65% am Immobilientransaktionsvolumen in Österreich beteiligt. „Da aktuell davon ausgegangen werden kann, dass die Reisebeschränkungen zumindest auf österreichischer Seite mittelfristig gelockert werden, ist nicht von einem signifikanten Rückgang des Transaktionsvolumens auszugehen“, glaubt Dkfm. Lukaschek schließlich sei angesichts des erfolgreichen Umgangs Österreichs mit der Corona-Krise bereits ein verstärktes Interesse wahrzunehmen.
„Internationale Investoren werden ihre regionale Strategie eher zugunsten Österreichs verschieben“, ist Dkfm. Lukaschek überzeugt; auch zwischen den Assetklassen werde es zu Verschiebungen kommen. Wie in allen Krisen suche die Mehrzahl der Investoren aktuell den sicheren Hafen und lege den Fokus daher zum einen auf langfristig vermietete Core-Objekte mit stabilen gewerblichen Mietern um mögliche Ausfalls-risiken zu minimieren und zum anderen auf die sichere Assetklasse Wohnen.
Wohnen als „Sicherer Hafen“
In der Assetklasse Wohnen waren bisher weder am Vermietungs- noch am Investmentmarkt kaum bis keine Auswirkungen der aktuellen Situation spürbar. „Wohnimmobilien in guten Lagen mit indexierten Mieten sind in Krisen traditionell ein sicherer Hafen“, sagt Investment Consultant Mag. Georg Kretschmer, MSc, MRICS. Demnach sei zu erwarten, dass viele Investoren ihre Strategie zugunsten dieser Assetklasse verschieben werden und es hier zu erhöhten Kapitalzuflüssen kommen wird. „Wir gehen davon aus, dass sehr zeitnah wieder erste Transaktionen stattfinden. „Das liegt daran, dass das Grundbedürfnis nach (leistbarem) Wohnraum stärker von demografischen Entwicklungen, als von kurzfristigen wirtschaftlichen Schwankungen abhängt“, erklärt Kretschmer. Eine Eintrübung am Vermietungsmarkt sei nur im Falle eines längerfristigen Anstiegs der Arbeitslosigkeit in Österreich zu erwarten. „Diese zeichnet sich in den aktuell vorliegenden Studien jedoch nicht ab“, sagt Kretschmer.
Große Unterschiede bei Gewerbeimmobilien
Am gewerblichen Immobilienmarkt treten starke Unterschiede zwischen den einzelnen Assetklassen auf, so die Experten von Otto Immobilien. Eigentümer haben in den letzten Monaten sehr unterschiedliche Erfahrungen hinsichtlich der wirtschaftlichen und rechtlichen Möglichkeiten, die ihnen vertraglich zustehende Miete einzufordern, gemacht.
Krisengewinner Logistik
Obwohl auch in dieser Assetklasse von Seiten mancher Mieter Mietstundungen und –freistellungen, neuerdings Rent-Holidays genannt, gefordert wurden, gelten Logistikimmobilien aktuell als einer der Gewinner der Krise. Dies ist zum einen auf die zweistelligen Wachstumsraten einzelner Onlinehändler und dem damit einhergehenden erhöhten Bedarf nach Lager- und Distributionsflächen und zum anderen auf die gestiegene Nachfrage von Nahversorgern zurückzuführen. „Wir gehen davon aus, dass Renditen aufgrund einer erhöhten Nachfrage von Investoren tendenziell unter Druck stehen. Ob dieser Trend von möglicherweise höheren Finanzierungskosten überkompensiert wird, ist aktuell nicht abschätzbar“, sagt Dkfm. Lukaschek.
Diverser Büromarkt
Die Tendenzen in der Assetklasse Büro sind deutlich diverser. „Zum einen befinden wir uns gerade im weltweit umfangreichsten Home-Working-Experiment der Geschichte, zum anderen macht gerade dieses die Bedeutung des Arbeitsplatzes als Social Hub und Stätte für Begegnung und Kreativität deutlich“, so Dkfm. Lukaschek. Die teilweise sehr weitgehenden Forderungen nach Mietzinsreduktionen insbesondere, internationaler Großmieter, würden teilweise der rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Grundlage entbehren und stellen, wie im Logistikbereich auch, ein Entgegenkommen des Vermieters dar. „Die Vermietungsleistung wird aufgrund ausgesetzter Expansionen an den meisten Standorten allerdings merklich geringer ausfallen, als in den Vorjahren“, ist er überzeugt.
Die bestehende Nachfrage der Investoren richte sich aktuell klar auf langfristig vermietete Objekte, die einerseits gegenüber risikolosen Anlageformen wie Staatsanleihen einen Renditevorteil haben, aber andererseits im Hinblick auf die schwer einschätzbare Entwicklung des Marktes mittelfristig keine Vermietungsaktivitäten erfordern. Bei den von erhöhtem Leerstand betroffenen oder bedrohten Büroimmobilien sei vorerst ein geringeres Transaktionsvolumen zu erwarten, da potentielle Verkäufer ihre Objekte nicht der aktuellen Unsicherheit des Marktes aussetzen würden.
Risikofall Einzelhandel
„Die Assetklasse Retail zählt mit Sicherheit zu den am stärksten betroffenen Bereichen der Immobilienwirtschaft“, sagt Dkfm. Lukaschek. Zum einen hätten die in fast allen Ländern erfolgten Schließungen von Geschäften den Konsum noch mehr auf den ohnehin boomenden Onlinehandel verlagert, zum anderen würden die durch Mietfreistellungen, Umsatzmieten und Insolvenzen ausgelösten Mietausfälle die Sicht der Investoren auf diese Assetklasse nachhaltig prägen und verändern. „Gerade ausländische Investoren waren sich der gesetzlichen Regelung in Österreich, die im Falle einer Epidemie das wirtschaftliche Risiko beim Vermieter sieht, nicht bewusst“, sagt Dkfm. Lukaschek. Trotz der mit Sicherheit weiterhin steigenden Renditen in diesem Bereich werde es voraussichtlich bis 2021 dauern, bis sich die Preisvorstellungen von Käufern und Verkäufern wieder finden und Transaktionen stattfinden werden.
* Hong Kong – 81%, Singapur – 72%, Asien-Pazifik – 59%
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