Zinshausverkauf: Kleine Anteile bringen überraschend hohe Preise

Anna Geher im Interview zum Thema: Zinshausverkauf

Zinshausverkauf: Kleine Anteile bringen überraschend hohe Preise

Wie berechnet man den Wert eines Zinshausanteiles? Zahlen Miteigentümer für zusätzliche Anteile mehr oder weniger? Sind kleine oder große Anteile mehr wert? Ist die herrschende Bewertungsliteratur noch aktuell? Diese und andere Fragen rund um Anteilsbewertungen beantwortet Anna Geher, Leiterin der Bewertungsabteilung bei OTTO Immobilien. (Dieses Interview haben wir unserem aktuellen Zinshaus-Marktbericht entnommen.)

Fotos: Christian Steinbrenner

OTTO Immobilien:
Frau Geher, wie wird eine Anteilsbewertung vorgenommen?

Anna Geher:
In der Liegenschaftsbewertung wird zunächst der Verkehrswert der gesamten Liegenschaft und im Anschluss daran der grundbücherliche Anteil errechnet. In der Regel wird zudem ein Abschlag auf den Anteil getätigt. Die gängige Literatur geht also davon aus, dass ein komplettes Zinshaus mehr wert ist als die Summe seiner Anteile.

OTTO Immobilien:
Warum wird dieser Marktabschlag vorgenommen?

Anna Geher:
In der gängigen Literatur wird dieser Abschlag mit der eingeschränkten Verfügungsgewalt über die Liegenschaft und aufgrund des hierdurch eingeschränkten Käuferkreises begründet. Grundsätzlich galt bis dato, dass der Abschlag umso niedriger ausfällt, je größer der Anteil ist. Üblicher- weise werden Anpassungen zwischen -5 % und -30 %, abgestuft nach Anteilshöhe, vorgenommen. Bei Verkauf an bestehende Miteigentümer, so die Literatur, kann dieser Abschlag reduziert werden oder gänzlich entfallen. Im Falle des Zukaufs des letzten fehlenden Anteils könnte sogar ein Zuschlag – aufgrund „besonderer Vorliebe“ – berücksichtigt werden.

OTTO Immobilien:
Frau Geher, Sie haben nun eine aktuelle Studie erstellt. Wie wurden die Anteilsverkäufe analysiert und in welchen Punkten steht Ihre Auswertung im Gegensatz zur bisherigen Praxis?

Anna Geher:
Für die Analyse wurden insgesamt 2.844 Zinshaustransaktionen der Jahre 2016 bis 2021 herangezogen und in zwei Klassen gesplittet – Anteilsverkäufe mit weniger als 100 % und Komplettverkäufe mit 100 % am Objekt. Die Anteilsverkäufe wurden nach Käufergruppen und Anteilshöhe weiter unterteilt. Im Anschluss wurden die Quadratmeterpreise gegenübergestellt. Das Ergebnis unserer Auswertung steht in drei wesentlichen Punkten im klaren Gegensatz zur bisherigen Bewertungslehre:

Wir konnten feststellen, dass die Abschläge umso geringer sind, je kleiner die Anteile an der Gesamtliegenschaft sind. Kleine Zinshausanteile erzielen also anders als gedacht die höchsten Quadratmeterpreise.

Es zeigt sich auch, dass die Anteilsverkäufe des letzten fehlenden Anteils für Alleineigentum preislich deutlich unter dem Ankaufspreis des ersten Anteils am Haus liegen. Die Anteilsverkäufe an neue Miteigentümer weisen den niedrigsten Abschlag gegenüber Komplettverkäufen auf – und liegen im Median sogar um 5 % über den Komplettverkäufen.

Und Miteigentümer bezahlen für zusätzliche Anteile nicht zwangsläufig über dem Markt – sogar dann nicht, wenn es sich um den letzten fehlenden Anteil für Alleineigentum handelt. Vielmehr konnte festgestellt werden, dass sie tendenziell unter dem Marktwert kaufen.

OTTO Immobilien:
Lag also die Bewertungslehre bislang falsch?

Anna Geher:
Nein, der Zinshausmarkt hat sich verändert und gilt heute als absoluter Krisenprofiteur. Zinshäuser und auch Zinshausanteile werden immer mehr als attraktive Anlageoption gesehen. Wir als Bewerter müssen Bisheriges stets kritisch hinterfragen und bei geänderten Marktverhältnissen auch unsere Methoden anpassen.

OTTO Immobilien:
Wie erklären Sie sich die Ergebnisse?

Anna Geher:
Manches erscheint logisch:. Etwa, dass kleine Anteile höhere und größere Anteile niedrigere Quadratmeterpreise erzielen. Dies könnte mit der absoluten Höhe des Investments und dessen Finanzierungsmöglichkeiten wie auch dem Risiko von Teilungsklagen zusammenhängen. Dass der Ankauf des letzten Anteils im Vergleich so günstig ist, ist aber sehr wohl überraschend. Abgesehen von begünstigten innerfamiliären Transaktionen könnte es auch daran liegen, dass Verkäufern der wahre Wert ihrer Anteile nicht bekannt ist.

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