Wiener Zinshausmarkt: Coronabedingter Einbruch im ersten Halbjahr

Wiener Zinshausmarkt: Coronabedingter Einbruch im ersten Halbjahr

Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien: 2. Halbjahr deutlich stärker 

 

Text: Katharina Scheidl-Aziz

Die Coronakrise hinterlässt auch auf dem Wiener Zinshausmarkt deutliche Spuren. Mit 379 Mio. Euro ist das Transaktionsvolumen im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 um 53% zurück gegangen, so der aktuelle Zinshaus-Marktbericht von Otto Immobilien. „Das entspricht dem niedrigsten Transaktionsvolumen in einem ersten Halbjahr seit 2016“, berichtet Dr. Eugen Otto. Hauptgrund dafür sind die Coronakrise und die damit einhergehenden Einschränkungen im öffentlichen Leben, von dem auch die Grundbuchsgerichte betroffen waren. Insgesamt wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres in Wien 169 Verkäufe gezählt. Gegenüber dem Vergleichszeitraum im Jahr 2019 bedeutet dies einen Rückgang von 30 %. Doch diese Delle dürfte geringer ausfallen: Im zweiten Halbjahr und unter Berücksichtigung des Nachlaufes könnte sich 2020 trotzdem zu einem starken Jahr mit mehr als 1,2 Mrd. Euro Umsatz entwickeln. Denn: „Eine Vielzahl von Verkäufen wurde coronabedingt in das zweite Halbjahr verschoben“, berichtet Dr. Otto. 

Regionen außerhalb des Gürtels boomen

Auffallend war auch eine geographische Verlagerung des Investmentfokus: „Mit rund 66% gab es im ersten Halbjahr 2020 deutlich mehr Transaktionen in den Bezirken außerhalb des Gürtels“, berichtet Martin Denner, BSc,  Leiter Immobilien Research. 

Im Hinblick auf die einzelnen Bezirke sind vor allem der 6. und 18. Bezirk hervorzuheben: „Hier wurden mit 47 Mio. Euro im 6. und 26 Mio. Euro im 18. Bezirk nach wie vor sehr hohe Volumina umgesetzt“, sagt Martin Denner. Im Jahresvergleich (Herbst 2019) sei dort das Transaktionsvolumen sogar leicht gestiegen.  Die stärksten Rückgänge hingegen wurden in den Bezirken 1, 4.und 7 beobachtet: Hier verringerte sich das Transaktionsvolumen um fast die Hälfte. Von der Transaktionsanzahl verzeichnen der 14. und 15. Bezirk die stärksten Zuwächse. 

Mindestpreise steigen weiter

Bei den Preisen für Gründerzeit-Zinshäuser ergibt sich für das erste Halbjahr 2020 folgendes Bild:. „Die Mindestpreise haben in den einzelnen Bezirken deutlich zugelegt, sie bleiben jedoch nach den starken Preissprüngen in den letzten Jahren eher auf einem stabilen Niveau“, so Mag. Richard Buxbaum, Leiter Wohnimmobilien. Die höchsten Zuwächse konnten dabei in den Bezirken 3, 5, 18 und 19 verzeichnet werden. „Spitzenreiter dabei war der 18. Bezirk mit einem Anstieg von 8%“, sagt Mag. Buxbaum. In den Bezirken 3,5 und 19 legten die Mindestpreise zwischen 4 und 5% zu. Ebenfalls starke Zuwächse gab es mit einem Plus von 3% im 7. Bezirk.

Auf hohem Niveau stabil geblieben bzw. nur leicht angestiegen sind die Maximalpreise. „Ausnahmen waren die Bezirke 9 und 10 – hier sind die Maximalpreise um rund 10% gestiegen“, so Mag. Buxbaum. In den Bezirken 2., 3., und 12. konnten leichte Zuwächse zwischen 4 % und 6 % verzeichnet werden. Nach Recherchen von Otto Immobilien muss in Wien für ein durchschnittliches Gründerzeit-Zinshaus aktuell zumindest 1.770,− Euro/m² bezahlt werden. 

Stabile Maximalrenditen

Die Maximalrenditen sind in fast allen Bezirken stabil geblieben. Bei den Minimalrenditen konnte trotz generell niedrigen Niveaus in einigen Bezirke eine Abnahme von 0,1 %-Punkten beobachtet werden. „Die Spitzenrendite für das beste Objekt in der besten Lage (entspricht der Mindestrendite in der Region 1, 1. Bezirk) ist mit 0,78% stabil geblieben. Insgesamt spiegeln die Renditen des Wiener Zinshausmarktes dessen hohe Attraktivität wider, berichtet Mag. Buxbaum.

Wieder mehr Anteilskäufe

Die Zahl der Anteilskäufe hat im 1. Halbjahr 2020 wieder leicht zugenommen. Der Kauf und Verkauf von Zinshausanteilen (1 % bis 99 %) machte dementsprechend einen Anteil von knapp 44 % der umgesetzten Transaktionen aus. Hierbei ist gegenüber dem Vorjahr ein leichter Rückgang bei der Übertragung von ganzen Häusern (100 % der Anteile) feststellbar: Knapp 56 % der im 1.Halbjahr 2020 getätigten Transaktionen sind dieser Gruppe zuzuordnen. Im Vergleich zu 2019 bedeutet dies einen Rückgang von 6 %-Punkten. Nach Transaktionsvolumen betrachtet, ist die Übertragung von ganzen Häusern jedoch nach wie vor auf hohem Niveau (88 %).
 

© Christian Steinbrenner


Unternehmen drehen Zinshäuser mehr

Nach wie vor dominieren auf Käuferseite die Unternehmen, doch auch auf der Verkäuferseite werden sie immer stärker. Demnach sind im Berichtszeitraum knapp 70 % aller Käufe sowie 45 % aller Verkäufe von Unternehmen ausgegangen (-7%-Punkte bei den Käufen, keine Veränderung bei den Verkäufen). Privatpersonen waren mit rund 28 % bei den Käufen und knapp 54 % bei den Verkäufen jedoch weiterhin stark vertreten (+6 %-Punkte bei den Käufen, +2 %-Punkte bei den Verkäufen). Die restlichen Transaktionen sind der Gruppe der Sonstigen zuzuschreiben. 

Auch beim Transaktionsvolumen haben die Unternehmen die Nase vorn: So sind rund 88 % des Transaktionsvolumens auf Käuferseite diesen zuzuschreiben, auf Verkäuferseite sind es rund 57%.  

Share Deals mit + 37 % deutlich gestiegen

Für die vorliegende Herbstausgabe hat Otto Immobilien in Kooperation mit Mag. Florian Schmidl, Partner bei Mazars Austria, neuerlich die Auswertung auch nach Share Deals, also der Übertragung von Anteilen an der immobilienbesitzenden Gesellschaft, vorgenommen.  Demnach wurden mit Stichtag 01. September 2020 in der Vergleichsperiode (September 2019 bis Juli 2020) bei 83 Share Deals 113 Häuser übertragen – ein deutliches Plus von 37 %, berichtet Mag. Florian Schmidl. „Der Anteil der durch Share Deals veräußerten Gründerzeit-Zinshäuser erreichte mit 32,9 % einen neuen Rekordwert, wird sich durch den Nachlauf bei den Asset Deals aber noch leicht verändern“, so seine Prognose.  Im Durchschnitt beträgt der Anteil der durch Share Deals verkauften Gründerzeit-Zinshäuser 12,3 %.

Ein sicherer Anker – aber nicht zu jedem Preis

„Zinshäuser bleiben weiterhin eine sichere, stabile und attraktive Investment-Assetklasse“, betont  Mag.Jelena Pirker, Immobilienberaterin Zinshaus. Das klassische Wiener Gründerzeit-Zinshaus überzeuge Käufer weiterhin mit der stetigen Wertsteigerung. Das wird auch in den nächsten Monaten der Fall sein, so Mag. Pirker. Gekauft wird dennoch nicht mehr zu jedem Preis: „Wenn der Verkaufspreis stimmt, findet am Absatzmarkt eine sichere Transaktion statt. Liegt allerdings der Zinshauspreis über dem tatsächlichen Marktwert, suchen Investoren vergleichbare Objekte zu marktkonformeren Preisen in gefragten Top-Lagen“, weiß Mag. Pirker. Überproportionale Preisvorstellungen werden demnach auch künftig eher von Liebhabern für Prestige-Objekte in sehr guten Lagen bezahlt. „Der Besitzerstolz für ein klassisches Wiener Zinshaus mit strukturierter Fassade und prächtigem Entree in bester Lage lässt Aufschläge von 20% bis 30% zu den sonst schon hohen Zinshauspreisen zu“, berichtet Mag. Pirker aus der Praxis. Zinshäuser in Einkaufsstraßen würden dabei eigenen Regeln unterliegen, da hier der gewerbliche Anteil und somit die Mieteinnahmen deutlich höher sind. „Die Quadratmeter-Preise für solche Häuser scheinen überhaupt kein Limit zu haben“, sagt Mag. Pirker.

Immer weniger Zinshäuser        

Allerdings werden Zinshäuser immer seltener: Während im Herbst 2009 noch 15.529 Gründerzeit-Zinshäuser − im engeren Sinn nach OTTO Immobilien − identifiziert wurden, hat sich ihre Anzahl seit damals um insgesamt 1.672 verringert. „Unsere Analyse zeigt, dass mit Stichtag 14.8.2020 nur noch rund 13.857 klassische Gründerzeit-Zinshäuser in Wien existieren. Dies entspricht einem Rückgang des Bestandes seit 2009 um etwas mehr als 11 %“, so Martin Denner. Hauptgrund für den Verlust von Gründerzeit-Zinshäusern − im engeren Sinn nach OTTO Immobilien − ist die Begründung von Wohnungseigentum. Weitere Gründe sind Nutzungsänderungen, etwa die Umwandlung in Hotels. Abrisse von Gründerzeit-Zinshäusern sind selten, was für ihre hohe bauliche Qualität bzw. ihre ausgezeichnete Adaptierbarkeit spricht.

Als Quellen für den ersten Wiener Zinshaus-Marktbericht dienten neben eigenen umfangreichen Recherchen die Eintragungen im öffentlichen Grundbuch, der Kaufvertragsspiegel von IMMOunited, der Kulturgüter-Kataster der Stadt Wien sowie Daten der Statistik Austria und die Daten des Firmenbuches.
 

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1) In die Auswertung sind jene Kaufverträge von 1. Jänner bis 31. Juni 2020 eingeflossen, die bis August 2020 im elektronischen Grundbuch abrufbar waren. Die Transaktionen wurden dabei in fünf Gruppen eingeteilt, je nachdem, wie viel Eigentum übertragen wurde – von kleinen Zinshausanteilen bis zu ganzen Häusern (100 % der Grundbuchsanteile).