Das rasche Wachstum machte in zahlreichen mittelalterlichen Städten eine Gliederung nach Vierteln notwendig. Diese hatten die Bedeutung von Bezirken. In manchen Städten, etwa in München, wirkt die Viertelteilung der Altstadt bis in die Gegenwart. In Wien verlor sie mit der Schaffung des Bezirks „Innere Stadt“ im Jahr 1850 an Bedeutung.
Text: Dr. Christian Rapp (Wissenschaftl. Leiter Haus der Geschichte St. Pölten) // Foto: Christian Steinbrenner // Stadtplan: Wiener Stadt- & Landesarchiv
Die Einteilung der Stadt wurde wahrscheinlich zu Beginn des 13. Jahrhunderts geschaffen. Damals, unter der Herrschaft der Babenberger, nahm sie jene Grenzen an, die Wien bis zum 19. Jahrhundert haben sollte.
Die vier Viertel wurden nach den wichtigsten Stadttoren benannt: Die Namen Schottenviertel, Stubenviertel und Kärntnerviertel lassen sich heute noch nachvollziehen.
Das Burgviertel hieß ursprünglich Widmerviertel und wurde nach einem uns heute kaum noch bekannten Stadttor benannt: dem Widmertor. Dieses befand sich in etwa an der Stelle des Durchgangs des Leopoldinischen Traktes der Hofburg. Der Name Burgviertel hat sich durchgesetzt, weil das Burgtor nach wie vor erhalten ist, aber vor allem wegen der dominierenden Bedeutung der Hofburg und des Burgtors für dieses Viertel.
Die Stadtviertel hatten zahlreiche Funktionen: Waffenpflichtige Bürger mussten sich im Verteidigungsfall in ihrem Viertel sammeln und bildeten jeweils eine Kompanie mit einem Viertelhauptmann. Bei Feuergefahr hatte man sich an bestimmten Plätzen einzufinden. Deshalb war bei der Einteilung dafür gesorgt worden, dass jedes Viertel über einen entsprechend großen Platz verfügt.
Läuteten die Sturmglocken, so eilten die Bürger des Burgviertels auf den Graben, die Bürger des Kärntnerviertels auf den Neuen Markt. Am Hof versammelten sich die Bewohner des Schottenviertels und beim Lugeck jene des Stubenviertels. Für verschiedene Aufgaben gab es sogenannte Viertelmeister. So ein Viertelmeister war eine angesehene Person und zum Beispiel für die Beleuchtung der Stadt zuständig. Zudem wurden die Steuerbücher nach den Stadtvierteln angelegt. Im 15. Jahrhundert wurde die Kompetenz der Viertel auf die außerhalb der Stadtmauern angrenzenden Vorstädte ausgedehnt. Auch die Polizeibezirke orientierten sich an der Viertelgliederung.
Der älteste Stadtplan, der diese Einteilung dokumentiert, stammt aus dem Jahr 1730, der letzte aus dem Jahr 1848, als während der Revolution die Viertelgliederung noch einmal aktuell geworden war. Die Bürgerschaft hatte sich damals allerdings nicht gegen einen äußeren Feind bewaffnet, sondern wollte für eine neue Verfassung kämpfen.
Das Burg- oder Widmerviertel (grün - siehe Stadtplan Titelbild)
Zum Burgviertel gehören die Peterskirche, die der Gründung nach älteste Kirche Wiens, der aus dem alten Stadtgraben hervorgegangene Graben und die im Hochmittelalter planmäßig angelegten Straßenzüge zwischen Kohlmarkt und Kärntnerstraße. Den äußeren Abschluss bilden das Kaiserforum mit den beiden Hofmuseen sowie die gründerzeitlichen Bauten rund um die Akademie der Bildenden Künste. Kultur- und Bildungseinrichtungen dominieren die Nutzung des Areals. Ursprünglich hieß dieses Viertel der Innenstadt Widmerviertel. Der Name leitete sich vom Witmarkt her, dem heutigen Kohlmarkt. Wit war der mittelalterliche Ausdruck für Holz und Holzkohle.
Das Kärntnerviertel (blau)
Es umfasst an seiner Spitze einen der ältesten Stadtteile Wiens. Östlich der Peterskirche hat sich schon im Frühmittelalter eine Siedlung mit unregelmäßig geformten Gassen entwickelt. Relativ gerade und regelmäßig sind im Unterschied dazu die rippenförmig angeordneten Straßenzüge östlich der Kärntnerstraße, die erst im 13. Jahrhundert angelegt worden sind. Mit dem Stephansdom verfügt das Kärntnerviertel sowohl über das spirituelle wie auch das geographische Zentrum der Stadt. Es hat einen besonders hohen Anteil an Ringstraßenpalais und ist geprägt von den bürgerlichen Kultureinrichtungen wie Musikverein, Künstlerhaus und Handelsakademie, die während der ersten Phase der Ringstraßenära in den 1860er Jahren errichtet worden sind.