EIN perfektes Bürolayout, das gibt es nicht – Windstärke 7 im Interview

Windstärke 7 im Interview. Architekturbüro. Stephan Rindler und René Wollinger

EIN perfektes Bürolayout, das gibt es nicht – Windstärke 7 im Interview

Stephan Rindler und René Wollinger sind das Führungsduo des Wiener Architekturbüros Windstärke 7. Im Interview mit OTTO Immobilien philosophieren sie über das Büro der Zukunft und dessen Gestaltung.

⚪️ Arch. Dipl. Ing. Stephan Rindler | CEO, Geschäftsführer Windstärke 7
⚪️ Ing. René Wollinger | COO, Gesellschafter Windstärke 7
⚪️ Patrick Homm, MA | Prokurist – Abteilungsleiter Immobilienvermarktung Gewerbe OTTO Immobilien
⚪️ Philipp Granabetter | Senior Berater Büroflächen OTTO Immobilien

Fotos: Christian Steinbrenner

„Früher war es ein Büro, in dem man arbeiten wollte,
heute gehen die Leute mit dem Bewusstsein hinein, das ist ein Büro,
in dem ich leben will.“
Stephan Rindler


PATRICK HOMM: Erstmal vielen Dank, dass ihr euch Zeit für uns nehmt.

STEPHAN RINDLER: Ein großer Dank zurück. Es ist immer eine wertschätzende Geste, wenn man zu einem solchen Gespräch eingeladen wird.

PATRICK HOMM: Kommen wir gleich zur zentralen Frage: Was hat sich seit Beginn der Corona-Pandemie vor zweieinhalb Jahren in eurem Geschäft in Bezug auf Büroflächen verändert?

STEPHAN RINDLER: Das Thema Homeoffice ist in der Bürobelegung massiv in den Markt „gecrasht“. Viele Büroflächen sind kurzfristig gänzlich leer gestanden, und nahezu jede Firma musste sich fragen: Wie viel Fläche benötige ich tatsächlich? Diese Art der Selbstreflexion war vorher nicht da. Aber die Bewegung – weg vom fixen Arbeitsplatz, hin zu einem flexiblen Arbeiten im Büro – war schon ab 2014 spürbar und stand immer in Verbindung mit der Idee einer Reduktion der vorhandenen Fläche. Man wollte mit Shared-Office-Bereichen Bürofläche einsparen. Homeoffice hat diese Überlegungen nochmals verändert. Firmen haben gegenüber ihren Mitarbeitern keinen Erklärungsbedarf mehr, weil es für jeden offensichtlich geworden ist, dass es Veränderungen am Arbeitsplatz im Zusammenhang mit Homeoffice geben muss. Die Implementierung von Shared-Office-Lösungen ist somit wesentlich einfacher geworden. Früher hat der Verlust des eigenen Arbeitsplatzes mit den privaten Bildchen über dem Bildschirm Ängste ausgelöst. Heute betrifft das viele, quer durch die ganze Gesellschaft, diese Ängste sind weg. Das macht es vielen Geschäftsführern einfach, dieses Thema anzupacken. Womit ein weiterer, wirtschaftlicher Gedanke aufkommt: Wenn man optimiert, wie optimiert man richtig? Letztlich steht natürlich noch immer ein Flächeneinsparungsgedanke dahinter. Wir bewegen uns aber in einem Spannungsfeld: Shared-Desk-Systeme erhöhen den Kom- munikationsbedarf im Büro. Wir brauchen mehr Kommunikations- und mehr Living-Office-Flächen. Der persönliche Austausch und die Vernetzung gehen im Homeoffice eher verloren, attraktive Kommunikationszonen und größere Sozialbereiche im Büro sollen Mitarbeiter:innen einladen, ins Büro zu kommen, um sich aktiv auszutauschen und gemeinsam arbeiten zu können. So sollen auch das Teamgefüge und der Zusammenhalt erhalten bleiben. Trotzdem wird natürlich versucht, durch Homeoffice und Doppelt- bis Dreifachbelegung der Arbeitsplätze eine Flächenreduktion zu erzielen.

RENÉ WOLLINGER: Am Anfang der Pandemie herrschte große Unsicherheit, wie es überhaupt weitergehen soll. Es gab einen regen Austausch zwischen Vermietern und Mietern, um jeweils gut durch die Pandemie zu kommen. Auf die Frage, wie das Büro der Zukunft ausschaut, gibt es natürlich keine richtige Antwort: Branchen sind unterschiedlich, Kunden sind unterschiedlich. Man braucht hohe Flexibilität. Aber jetzt stellt man sich endlich der Frage: Was braucht mein Unternehmen? Und da geben wir gerne Unterstützung. Der Sukkus der vergangenen beiden Jahre: Man geht eher weg von den fixen Arbeitswelten, hin zu einer flexiblen Gestaltung der Räume und der Arbeitsplätze. Es verschwimmt alles ineinander. Nicht mehr der eigentliche Arbeitsplatz ist das Wichtigste für den Mitarbeiter, sondern es geht um das Büro insgesamt.

PATRICK HOMM: Würdet ihr sagen, dass die Büroflächen wohnlicher werden?

STEPHAN RINDLER: Definitiv. Früher war es ein Büro, in dem man arbeiten wollte, heute gehen die Leute mit dem Bewusstsein hinein, das ist ein Büro, in dem ich leben will. Das ist eine andere Perspektive.

 
Stephan Rindler, René Wollinger, Patrick Homm, Philipp Granabetter


PATRICK HOMM: Gibt es für euch noch Büro-Standards oder wird alles individuell gelöst?

STEPHAN RINDLER: Natürlich gibt es nach wie vor Anforderungsprofile. Man wird etwa die Buchhaltungsabteilung nicht gänzlich ins Homeoffice schicken können, weil ein permanenter Ablagebedarf gegeben ist. Wir haben also stets einen gewissen Anteil an Fixarbeitsplätzen, der Rest lässt sich frei gestalten. Der klassische Außendienst ist kaum noch im Büro anzutreffen und wenn, dann in der Kommunikationszone. Für die sporadisch anwesenden Mitarbeiter gibt es sehr gute technische Systeme, um ihre Plätze zu buchen.

PATRICK HOMM: Wenn ihr an eure letzten Umbauten denkt, wie viele Standardarbeitsplätze bzw. Einzelbüros gibt es noch?

STEPHAN RINDLER: Vor dem Finanzcrash 2008 gab es eine deutliche Bewegung in Richtung Großraumbüro. Danach ging es eher zu Gruppenbüros zurück. Nach wie vor wird für Gruppen von maximal zwölf Personen geplant. Großraum ist eigentlich nicht mehr existent im Planungsgedanken.

RENÉ WOLLINGER: Behörden und staatliche Unternehmen haben zwar sehr wohl noch viele Einzelbüros oder auch Gruppenbüros, aber der freie Markt sucht – glaube ich – eher mehr nach offenen Lösungen. Behördliche Verwaltungsapparate haben in Hinblick auf die Ausbildung ihrer Beamten oft Ansprüche auf eine gewisse Quadratmeterzahl zu erfüllen.

STEPHAN RINDLER: Da müssen dann natürlich alle Büros gleich sein. Ich glaube, bei neuen Büros ist der Neidfaktor nicht mehr so gegeben. Denn die Zuteilung eines einzelnen Arbeitsplatzes ist nicht mehr zwingend gefordert. Bei den ganzen Sharing-Desk-Systemen buchst du dich in einem Bürobereich ein. Du sitzt jeden Tag woanders. Vielleicht hast du einen Lieblingsarbeitsplatz, den du gerne wieder einmal besetzen willst, aber ansonsten kannst du dir alles aussuchen. Man muss nicht mehr Rücksicht darauf nehmen, dass alle den gleichen Standard oder auch die gleiche Bequemlichkeit haben. Für uns bedeutet das, dass wir auf einer Fläche sehr viele unterschiedliche Welten gestalten können. Wenn der kreative Anspruch honoriert wird und auch das Budget vorhanden ist, macht das viel Spaß. Und um nun noch einmal auf die Eingangsfrage zurückzukommen: EIN perfektes Bürolayout – das gibt es nicht.

PHILIPP GRANABETTER: Gibt es bei Unternehmen eine bestimmte Verhältniszahl zwischen Mitarbeiter:innen und ständigen Arbeitsplätzen?

STEPHAN RINDLER: Es ist auffallend, dass die Unternehmen im Vorfeld sehr gute Analysen durchführen – samt Mitarbeiterzählungen, Definition der fixen Arbeitsbereiche, Gestaltungsvorstellungen für die Arbeitsplätze vor Ort. Wir planen manchmal auch 1 zu 4, also für 200 Mitarbeiter, wenn 800 am Standort beschäftigt sind. Da muss man aber auch eine entsprechende Logistik aufbauen.

RENÉ WOLLINGER: Bezüglich neuer Formen der Bürogestaltung sind unsere starren Arbeitsstättenverordnungen ein Problem. Wir raten jedem Kunden, sich im Vorfeld mit dem Arbeitsinspektorat abzustimmen. Und ich denke, irgendwann wird es in der Judikatur und den Verordnungen Veränderungen geben müssen, um den neuen Realitäten gerecht zu werden.

 
Stephan Rindler, René Wollinger, Windstärke 7


PHILIPP GRANABETTER: Die Umsetzung eines modernen Büros erfordert einen hohen baulichen Aufwand. Sind eure Kunden – auch angesichts der gestiegenen Baukosten – bereit, mehr zu investieren?

RENÉ WOLLINGER: Nein, die Bereitschaft mehr Geld auszugeben hatten wir noch nie (lacht). Dabei musst du nur aus dem Fenster schauen oder eine Zeitung aufschlagen, um zu sehen, dass alles teurer geworden ist. Wenn wir den Kunden erklären müssen, dass ein Umbau – egal ob pandemiebedingt oder aktuell durch die Ukraine-Krise verschärft – um 25 Prozent teurer geworden ist als vor zwei Jahren, wollen sie das häufig nicht verstehen. Hier sind wir stets um einen intensiven Austausch und umfangreiche Beratung des Kunden bemüht.

STEPHAN RINDLER: Angesichts der sprunghaften Baukostenentwicklung und der Lieferengpässe braucht es viele Veränderungen im Projektmanagement: Die Entscheidungsfindungsprozesse auf Auftraggeberseite müssen deutlich kürzer werden, weil Kostenschätzungen nicht mehr lange halten. Statt Stichtagen, definieren wir Zeitspannen für die geplante Übergabe. Wir müssen Pönalen daraufhin überdenken, ob sie für Lieferanten überhaupt noch tragbar sind. Ausgeschrieben wird nun noch weniger in Produkten als in Qualitäten. Hier haben wir generell auf vielen Ebenen nachjustiert, damit wir vertragsmäßig sauber arbeiten können.

PHILIPP GRANABETTER: Könnt ihr ungefähr sagen, wie lange ein Umbau dauert?

RENÉ WOLLINGER: Wir bewegen uns im Schnitt zwischen acht und zwölf Wochen. Bei 5.000 bis 6.000 m² dauert es ungefähr ein halbes Jahr. Das ist extrem sportlich und nur möglich, weil wir ein gutes Konzept haben, bei dem wir viele Arbeiten schon im Vorfeld erledigen.

STEPHAN RINDLER: Mit unseren Auftraggebern und den Eigentümern pflegen wir in der Regel ein so hohes Vertrauensverhältnis, dass wir schon Vorleistungen erbringen, noch bevor der Mietvertrag unterschrieben ist. Das machen wir natürlich auch in Hinblick auf einen zügigen Prozess. Aber wir bewegen uns zu einem deutlich höheren Grad in Vorleistungen, als es noch vor zwei Jahren der Fall war.

PATRICK HOMM: Wenn ihr noch einmal zusammenfasst: Was macht für euch aktuell eine gelungene Büroimmobilie oder Bürofläche aus? Und wie seht ihr die Trends für die Zukunft?

RENÉ WOLLINGER: Ein Trend ist sicher, dass Unternehmen zunehmend um die Belegschaft buhlen müssen – nicht nur um die Supertalente, sondern auch um normale Mitarbeiter:innen. Dazu müssen sie ihre Identität und Haltung klarer hervorkehren. Es geht mehr um ein Lebensgefühl und weniger um die Arbeit. Individuelle Lebensträume abbilden und den Mitarbeiter dort abholen – das wird die Aufgabe der Unternehmen in der Zukunft sein.

STEPHAN RINDLER: Dieser Trend ist sogar noch stärker als die Nachhaltigkeitsthemen. Ohne ESG-Placement (Environment, Social, Governance) kommst du heute sowieso nicht mehr aus. Das ist mittlerweile Standard, ein Gedanke, dessen Umsetzung man sich als Mietinteressent oder Nutzer ganz selbstverständlich erwartet.

RENÉ WOLLINGER: Wir können uns nicht um Nachhaltigkeitszertifikate drücken, wenn wir neu bauen. Häuser, die diese Zertifikate nicht haben, sind nicht mehr marktfähig. Wir brauchen erneuerbare Energie, wir brauchen E-Scooter-Plätze, E-Bike-Plätze, E-Auto-Anschlüsse. Wir müssen das alles neu mitdenken. Das ist die zusätzliche Qualität, die – neben einem zeitgemäßen Büro mit einer gewissen Individualität – am Markt gefordert wird.

PHILIPP GRANABETTER: Eine Frage zum Schluss: Warum heißt euer Büro Windstärke 7?

RENÉ WOLLINGER: Das werden wir immer wieder gefragt. Stephan und ich wollten einfach keine Rindler-Wollinger ZT GmbH, wie so viele andere.

STEPHAN RINDLER: Wir haben beide eine starke Affinität zu Vergänglichkeitsthemen und Totenköpfen und haben nach einem starken Ausdruck dafür gesucht. Da ist uns ein Segel in den Sinn gekommen. Und weil die Windstärke 7 auf der Beaufortskala den letzten segelbaren Wind markiert, haben wir das als Analogie zu unserer Arbeitsweise gewählt.

Vielen Dank für das Gespräch.

 
Windstärke 7 im Interview. Architekturbüro. Stephan Rindler und René Wollinger

ℹ️ ZUM UNTERNEHMEN: Windstärke 7

Windstärke 7 ist ein Architekturbüro mit Fokus auf Office-Design sowie Interior- und Brand Design. Zurzeit arbeiten rund 20 Architekten, Industrial Designer und Ingenieure an Projekten unterschiedlichster Größe in Wien, München und Berlin.

Als Gesamtplaner übernimmt Windstärke 7 alle Planungsleistungenvon der ersten Skizze bis zur Fertigstellung.




 

Büro Marktbericht, 2022, Otto Immobilien

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