#Stadtflucht #Landflucht – Rückkehr in die Mikro-Heimat


Stadtflucht – Landflucht – Rückkehr in die Mikro-Heimat

#Stadtflucht #Landflucht – Rückkehr in die Mikro-Heimat

Pandemie, Klimakrise und Co: Warum immer mehr Familien aufs Land raus wollen, wie die Stadt entlang von Internetkabeln wächst und warum öffentliche Verkehrsmittel so wichtig sind.

Text: Robert Kropf // Rigaud / Wien Tourismus, Habibi & Hawara, beigestellt

Die Jungen ziehen in die Stadt, Familien und Ältere gehen zurück ins urbane Umland. Das sagen nicht nur die Zahlen der Statistik Austria, sondern auch das Tagesgeschäft von Theresa Rojko, langjährige Expertin für Miet- und Eigentumswohnungen bei OTTO Immobilien. Die Entwicklung ist eindeutig: Mehr Menschen ziehen in die Vororte, und die Nachfrage nach Häusern weiter draußen steigt. „Es sind die Eltern mit Kindern, die in Wien arbeiten und sich ein Leben am Land wünschen“, sagt sie. Mit einer wichtigen Einschränkung: „Die Traumlage ist nicht Trofaiach oder Zwettl. Sie investieren in Mödling und Klosterneuburg, Tulln, Baden oder Korneuburg.“ Das Ziel ist der mittlerweile umfangreiche Speckgürtel der Stadt – ein Haus mit Garten, ein Zimmer extra fürs Homeoffice, viel Grünraum und Platz in der Natur. Dreh- und Angelpunkt bleibt das öffentliche Verkehrsnetz, „innerhalb dessen sich der Großteil der aus der Stadt geflüchteten ansiedelt“, sagt Rojko. In anderen Worten: „Wohnen am Land, mit allen Vorteilen der Stadt.“

Für den Nachhaltigkeitsexperten Martin Rohla ist das alles nachvollziehbar. Mit seiner Gruppe Goodshares investiert er ausschließlich in nachhaltige Start-ups – wie den Kastl-Greissler. Das sind Selbstbedienungs-Container mit rund 500 Produkten von regionalen Produzenten und Bauern. Sie stehen in stadtnahen Dörfern, die zu klein für Supermärkte sind. Der Zulauf sei enorm, „weil immer mehr Menschen an den Stadtrand ziehen. So kaufen sie überaus regional ohne mit ihrem zwei Tonnen Autoblech 20 Kilometer für ein Kilo Brot und ein Liter Milch zu fahren.“ Das gehe vor allem auf den Wunsch zurück, nachhaltigerzu leben. Corona, Pandemie, Klimakrise. Die nächsten Jahre drehen sich mehr um Schutz als um Freiheit. Deswegen suchen Menschen sichere, überschaubare Orte zum Leben.
 

Stadtflucht – Landflucht – Rückkehr in die Mikro-Heimat – Martin Rohla

Bild oben links: GRÜNE STADT. Radwege, öffentliche Ver- kehrsmittel, Grünflächen, Bewegungszonen – das sind die Wünsche der jungen Generation.
Bild oben rechts: MARTIN ROHLA. Unternehmer und Nachhaltigkeits- experte Martin Rohla. „Menschen suchen nach sicheren und über- schaubaren Orten.“
Bild unten: AUSSENFLÄCHE. Wohnungen in der Stadt (Wohnprojekt Raffelspergergasse) brauchen Balkone. Für Wohnungen am Stadtrand ist Grün und Garten ein Muss (Wohnprojekt Bellevue im Titelbild).


Rohla sieht hier die Corona-Krise als kompletten Gamechanger – sowohl für Stadt- als auch für Landflüchter. Früher wuchsen Städte an Autobahnen und Bahnstrecken, heute wachsen sie entlang von Internetkabeln. Das Homeoffice verändert die Arbeitswelt komplett. Die Büronachfrage sinkt. Businesstrips werden weniger, Reisezeiten kürzer, „öffentliche Verkehrsmittel werden noch viel wichtiger“. Die Menschen erobern sich ihre Lebensqualität zurück. „Es ist die Sehnsucht nach einer neuen Mikro-Heimat, weil Menschen auch mehr zuhause bleiben wollen“, meint er. Dementsprechend wichtig seien die eigenen vier Wände. „Der Bedarf an zusätzlicher Wohnfläche steigt, jeder braucht ein paar Quadratmeter mehr fürs Arbeiten daheim“, ist er überzeugt. „Alle vernünftigen Städte dieser Welt beschäftigen sich gerade damit, wie die Stadt autofreier wird. Und hoffentlich grüner. Die Menschen wollen keine Betonschluchten mehr.“

Neue Lust auf die Provinz

Finanziell habe die Stadtflucht Vorteile. „Für den Wert einer Eigentumswohnung in Wien mit einem Mini-Balkönchen bekomme ich im urbanen Umfeld ein ganzes Einfamilienhaus mit Garten“, rechnet Theresa Rojko vor. Corona habe diesen Trend nur verstärkt, sagt sie. Für viele sei die Hürde hoch, die eigenen Wohnungsansprüche im innerstädtischen Bereich abzudecken. „Alles ohne Außenfläche tut sich momentan am Markt schwerer“, analysiert Rojko. Die Wünsche der Kunden: großflächige autofreie Begegnungszonen, eine begrünte Stadt. Ein immer größer werdendes Radwegenetz. „Die Menschen arbeiten mehr von zuhause aus.“ Da werde es wichtiger, dass man rauskommt aus den eigenen vier Wänden. Sei es auf den Balkon oder die Loggia. Oder in den begrünten Bereich vor der Wohnung. „Das ist am ehesten an Orten zu finden, wo ganze Stadtviertel neu entstehen, wie am Nordwestbahnhof. An Zonen, an denen die öffentlichen Verkehrsmittel ausgebaut werden.“ Rojko nennt hier die gerade gestartete Erweiterung der U-Bahn-Linien zwei und fünf. Eines ist für Rojko klar: „Zogen viele früher aus der Stadt, weil sie sich dort nichts leisten konnten, sagen viele Kunden nun: Ich will bewusst aufs Land.“

Die Ansprüche sind gestiegen

Und was wollen die Jungen, also die 18- bis 26-Jährigen, die aus ganz Österreich nach Wien drängen? Die Hälfte davon kommt zur Ausbildung nach Wien. Ein Viertel wegen des Arbeitsplatzes, der Rest aus persönlichen Motiven, erklären die Zahlen der Statistik Austria. Rojko dazu: „Die Ansprüche sind hier klar gestiegen. Eine sanierungsbedürftige Altbauwohnung, wo der Putz von den Wänden bröckelt, nimmt heute keiner mehr.“ Dazu komme ein derzeitiger Mietwohnungsüberschuss am Markt. Das Budget der Landgeflüchteten sei auch gestiegen, sagt Rojko, und die Konkurrenz von Lifestyle-Studentenheimen mit angeschlossenem Schickimicki-Lokal sehr groß. Ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft kann schon 500 bis 600 Euro kosten. Zentrumsnah, mit guter Infrastruktur, Radwegen und vielen Lokalen rundherum. Das sei die Wunschliste der Suchenden – auch eine Art von Mikro-Heimat.

Theresa Rojko, OTTO Immobilien

Diesen Beitrag haben wir unserem aktuellen #Wien - dem Wohnmarktmagazin von OTTO Immobilien entnommen:

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