Dr. Eugen Otto und Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber
EUGEN OTTO: Erwarten Sie, dass sich das Klientel des 1. Bezirks und jenes des 6. und 7. Bezirks mehr vermischen werden? Vielleicht wird es in Summe etwas mehr Umsatz geben, ganz sicher wird es aber zu Verschiebungen kommen.
CHRISTOPH STADLHUBER: Ich stelle eine Gegenthese auf: Wir werden nicht die Konkurrenz zwischen 1010 und 1070 Wien haben, wir werden mit unserem Warenhaus den Wettbewerb mit dem Onlinehandel aufnehmen. Ich interessiere mich ja zuerst für ein Produkt, wähle dann die Marke und frage mich zuletzt, wo ich einkaufen werden. Dann lautet das Duell nicht 1010 gegen 1070, sondern digital gegen stationär. Und wenn Sie in ein Premium-Lifestyle-Warenhaus wie unseres kommen – mit Gastronomie und allem, was Sie sich wünschen –, wer kauft dann noch im Internet ein?
Seien wir ehrlich: Online-Kauf ist praktisch und bequem. Aber ist er ein Erlebnis? Vielleicht ein negatives, wenn etwas einmal nicht funktioniert. Aber ein schönes Warenhaus ist ein Erlebnis. Vor zehn Jahren haben alle gelacht, als Besucher aus midle-east gesagt haben, Shoppen sei ein Freizeitvergnügen. Jetzt ist das aber auch bei uns ganz normal. Und wir mit unseren Häusern zeigen, wie Einkaufserlebnis funktioniert. Da hat die Gastronomie einen ganz wesentlichen Anteil daran.
EUGEN OTTO: Was wird das Besondere an der Gastronomie in Ihrem Haus sein?
CHRISTOPH STADLHUBER: Das gesamte Projekt, von der Immobilienseite betrachtet, hat vier große Nutzungen: Bisher haben wir vor allem über das Warenhaus gesprochen, das sind 20.000 m². Zusätzlich haben wir das Hotel, ein sehr trendiges Lifestylehotel mit 150 Zimmern, die Gastronomie und den Dachgarten. In Summe werden wir 5.000 m² Gastronomieflächen innen und außen haben. Sie sind in den Obergeschoßen angesiedelt. Das heißt, den traumhaften Blick von oben auf die Wiener Innenstadt können dann alle Besucherinnen und Besucher der Lokale genießen.
Die Gastronomie wird von voraussichtlich fünf oder sechs Gastronomen bespielt werden – von bekannten Wiener Namen, es kann aber auch ein Berliner oder ein anderer Einfluss dabei sein. Das Hotel wird seine Gäste selbst verköstigen.
Die großzügigen Gastronomieflächen im obersten Geschoß haben den Effekt, dass sie die Leute hinaufziehen. Dort trifft man sich, dort tratscht man, dort konsumiert man. Und dann geht man, wenn man sich die Zeit nimmt – und Zeit ist eben der Luxus – flanieren, schlendert langsam nach unten bis zum Ausgang und kauft ein. Gute Gastronomie erhöht die Verweildauer im Warenhaus, und genau darum geht es.
EUGEN OTTO: Werden die Gastronomie und der Dachgarten autark vom Rest funktionieren, also 24/7?
THOMAS HAHN: Der konsumfreie Dachpark auf der Hotelseite, mit Öffnungszeiten von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr im Winter und 8:00 bis 21:30 in der warmen Jahreszeit, ist von dem Warenhaus komplett abgekoppelt und über einen eigenen Aufzug erreichbar. So eine einzigartige Location ist natürlich ein schöner Fuß in der Tür, das wird sicherlich auch für das regionale Publikum ein absoluter Hotspot werden. Davon sind wir überzeugt Und natürlich soll auch ein Austausch zwischen Dachpark und Warenhaus mit seiner eindrucksvollen Gastronomieebene stattfinden.
EUGEN OTTO: Gibt es auch Sorgen oder besondere Herausforderungen, die bei dem Projekt aufgetreten sind? Ein so großes Grundstück in der Stadt zu verbauen, ist nicht leicht. Gab es Kritik an der Architektur oder gab es Schwierigkeiten im Genehmigungsverfahren?
CHRISTOPH STADLHUBER: Das gesamte Projekt ist eine enorme bauliche und rechtstechnische Herausforderung. Das alte „Leiner-Haus“, eigentlich war es ja nicht eines, sondern es waren mehrere Objekte, die im Laufe der Jahrzehnte zusammengeschlossen wurden, hatte vier unterschiedliche Niveauhöhen der Stockwerke. Für den Konsumenten bedeutete das also ein ständiges „rauf und runter“. In logischer Konsequenz mündet aber jeder Niveausprung in Umsatzeinbußen. Letztendlich bleibt ein Teil der schön gegliederten Gründerzeithaus-Fassade entlang der Mariahilferstrasse 12-16 erhalten, der Rest ist mittlerweile abgebrochen. Die Planungen basieren auf einem Architekturwettbewerb, zu dem vier renommierte internationale Büros – alle mit dementsprechender Erfahrung bei der Errichtung von Warenhäusern – geladen waren. Aus dem mit der Stadt Wien abgestimmten Verfahren ist O.M.A als Sieger hervorgegangen – ein sensationelles Büro mit entsprechender Erfahrung in dem speziellen Segment mit seinen ganz besonderen logistischen Abläufen.
Wir verbauen eine Brutto-Geschossfläche von fast 70.000 m² im innerstädtischen Raum auf einer Grundfläche von rund 7.500 m². Das ist baulich die größte Herausforderung. Die enge Karl-Schweighofer-Gasse ist die einzige Zu- und Abfahrtsstraße für die gesamte Abbruch- und Baulogistik.
Abseits der nackten betriebswirtschaftlichen und technischen Seite haben wir von Beginn an intensiv mit allen Stakeholdern kommuniziert. Denn Informationsdefizite führen immer zu Unsicherheit, die wiederum in Widerstand münden. Unser Engagement in dem Bereich ist mit Sicherheit weit überdurchschnittlich. De facto haben wir dadurch aber erreicht, dass es eine sehr hohe Zustimmung nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern sogar in der Nachbarschaft gibt.
Natürlich war dort die Begeisterung über Baulärm und Schmutz enden wollend. Aber wir haben das direkte Umfeld kontinuierlich über die Aktivitäten auf der Baustelle informiert. Wenn man als Anrainer im Vorfeld weiß, dass es beispielsweise an einem genauen Tag zu einer bestimmten Zeit besonders laut wird, gibt es keine Überraschungen.
Diese Vorgehensweise wurde auch zu schätzen gewusst. In die direkt betroffene Nachbarschaft gehen und mit den Händlern in der Umgebung reden, sie davon überzeugen, dass die Errichtung zwar eine bescheiden angenehme Phase ist, es nach Fertigstellung natürlich für jeden eine Bereicherung ist.
THOMAS HAHN: Wir sind von Höhe Stiftgasse bis hinunter zum Ring gegangen. Ich war bei jedem Händler und habe ihn vorbereitet. Wir haben Briefe in die Briefkästen geworfen. Gewisse negative Auswirkungen eines Abrisses kann man trotzdem nicht vermeiden. Das ist eine ständige Herausforderung, die noch drei Jahre dauern wird. Dessen waren wir uns bewusst, und das haben wir uns auch proaktiv an die Fahnen geheftet, dass wir versuchen, hier eine Kommunikation aufzubauen und die negativen Dinge, die aufpoppen, zu kompensieren. Am Ende wird unser Projekt den gesamten Handel des Bezirks aufwerten.