„MAHÜ 10-18“ – das neue Warenhaus auf der Mariahilfer Straße – das Interview

KaDeWe Group, Mariahilfer-Strasse, SIGNA und OTTO Immobilien

„MAHÜ 10-18“ – das neue Warenhaus auf der Mariahilfer Straße – das Interview

Christoph Stadlhuber ist Managing Director der SIGNA Holding. Dem studierten Raumplaner ist es wichtig, bei seinen Quartiersentwicklungen Zukunftskonzepte zu verwirklichen, die neue Impulse für ihre jeweilige Umgebung setzen. Gemeinsam mit Thomas Hahn, Leiter Retail bei SIGNA, berichtet er über das neueste Projekt „MAHÜ 10-18“ – ein modernes Warenhaus mit Erlebnisfaktor im Herzen von Wien, in Kombination mit einem Lifestyle-Hotel, vielseitiger Gastronomie und einem 1.000 m² großen Dachpark. Die Fertigstellung ist für 2024 geplant.

Das Interview mit: Dr. Eugen Otto (Geschäftsführer OTTO Immobilien), Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber (Geschäftsführer SIGNA Holding), Mag. Thomas Hahn (Leiter Retail SIGNA), Patrick Homm, MA (Leitung Immobilienvermarktung Gewerbe, Prokurist OTTO Immobilien), Anthony Crow, MSc (Teamleiter Retail OTTO Immobilien)

Fotos: Christian Steinbrenner // Visualisierungen: k18_high

EUGEN OTTO: Die Mariahilfer Straße ist neben dem 1. Bezirk die wichtigste Geschäftsstraße Wiens. Im Bereich der unteren Mariahilfer Straße, auf dem Areal des ehemaligen Leiner-Gebäudes, wird nun bis 2024 Ihr Projekt „MAHÜ 10-18“ realisiert. Wie wird es die Traditionsstraße verändern und was bedeutet es für den stationären Handel?

CHRISTOPH STADLHUBER: Es ist spannend, gerade in der jetzigen Phase über dieses Projekt zu sprechen. Denn die Corona-Pandemie hat die Diskussion über den stationären Handel intensiviert. Unser Haus in der Mariahilfer Straße ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass wir an die Innenstädte und an die Zukunft des stationären Handels glauben. Das behaupten ja viele, aber wir investieren auch.

EUGEN OTTO: SIGNA hat einen großen Erfahrungsschatz gesammelt, nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland. Sie können jetzt in diesem Projekt umsetzen, was Sie für zeitgemäß und gut erachten. Wer ist die Zielgruppe des neuen Warenhauses? Wird das Niveau über dem Durchschnitt der Mariahilfer Straße liegen, auf dem Level des KaDeWe?

CHRISTOPH STADLHUBER: Kaum eine Einkaufsstraße in Wien hat so viele – teils dramatische – Veränderungen erlebt wie die Mariahilfer Straße. Während des U-Bahn-Baus Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre war sie eine einzige Baustelle mit vielen Computer- und Billiggeschäften. Damals haben viele gesagt: „Das war es mit der MaHü.“ Dann war sie eine Zeitlang wieder die klassische Wiener Einkaufsstraße. Die Umgestaltungen der vergangenen Jahre haben der Mariahilfer Straße meiner Meinung nach das gebracht, was sie verdient. Sie ist ein Boulevard europäischen Formats geworden – mit viel Platz für Fußgänger, Kommunikations- und Gastronomieräumen, mit einer Allee und vielen räumlichen Eindrücken.

Vermurkst wurde hingegen die politische Kommunikation. Die Neuorganisation der Straße wurde schlecht kommuniziert. Und das löst bis heute eine gewisse Verunsicherung aus. Wenn man sich aus Retail-Sicht anschaut, welchen Mieterbesatz wir heute dort haben, dann verdient diese Traditionsstraße einfach mehr. Sie hat das Potenzial. Das sieht man am sehr spannenden Ikea-Projekt.

Unser neues Warenhaus wird die Mariahilfer Straße – von der Innenstadt kommend – enorm aufwerten. Studien renommierter auf Handel spezialisierter Beratungsunternehmen kommen zu dem Ergebnis, dass durch unser Haus aus einer „B“-Lage eine „A“-Lage wird. Die Experten gehen von einer Steigerung der Passantenfrequenz um bis zu 15 Prozent aus.

Wir sind wahrscheinlich die Einzigen – zumindest in Zentraleuropa –, die so viel in den stationären Handel investieren. Unser Haus wird auf sechs Retail-Geschoßen 20.000 m² Nutzfläche bieten. Dazu kommt ein Dachgeschoss für die Gastronomie. Wir wollen ein Ort der Kommunikation sein, wo die Kundinnen und Kunden von der Angebotsvielfalt überrascht werden.
 

Eugen Otto und Christoph Stadlhuber

Dr. Eugen Otto und Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber


EUGEN OTTO: Wird SIGNA das Warenhaus selbst betreiben?

CHRISTOPH STADLHUBER: Die KaDeWe-Group als Teil der SIGNA-Retail wird das Wahrenhaus selbst betreiben, so wie auch das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus in Hamburg oder den Oberpollinger in München. SIGNA Prime Selection hält gemeinsam mit Joint Venture Partner Central Group die Immobilie.

EUGEN OTTO: Wie kann man sich die Mietsituation vorstellen? Es gibt einen Generalmieter, der dann die Infrastruktur und das Marketing für die Eingemieteten kreiert?

CHRISTOPH STADLHUBER: Die KaDeWe-Group entwickelt intern gerade das konkrete Konzept für dieses Haus. Es beinhaltet zum Teil klassische Untermietverträge über eine entsprechende Zeitdauer – im Wesentlichen im Erdgeschoßbereich, wo die Luxuseinzelhändler angesiedelt sind. Auf der anderen Seite ist die KaDeWe-Group selbst Betreiber, übernimmt Einkauf, Verkauf, stellt das Personal. Dazwischen gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, zum Beispiel Pop-up-Strukturen. Sie haben flächenmäßig keinen großen Anteil, bieten aber größtmögliche Flexibilität. In Berlin gibt es Pop-up-Stores für drei Tage bis zu drei Monaten.

Das Marketing liegt in den Händen der KaDeWe-Group. Das kann sie natürlich mit ihren bestehenden Warenhäusern in Berlin, Hamburg und München kombinieren. Wenn wir aufsperren, wird auch das Carsch-Haus in Düsseldorf schon ein Jahr lang in Betrieb sein. Dann kann die KaDeWe-Group für fünf Häuser ein internationales Marketing aufziehen. Das eröffnet ganz andere Möglichkeiten.

Jede Marke, die in den deutschsprachigen Raum kommt, geht meistens über das KaDeWe in Berlin, macht dort den Testlauf und sucht die passende Positionierung. Dann geht es weiter über die anderen Häuser der Gruppe. Da wird Wien in Zukunft eine Rolle spielen.

Eine Frage dabei ist natürlich das Thema der Zielgruppe. KaDeWe steht für Luxus. André Maeder, Chef der KaDeWe-Group, sieht das differenzierter und definiert den Begriff anders, indem er sagt: „Luxus ist Zeit.“ Wir haben daher Produkte von einem bis zu 10.000 Euro. Man kann bei uns zwar Luxus wie beispielsweise gebrandete Koffer kaufen, bekommt aber auch Produkte des täglichen Bedarfs – von Socken über Küchengeschirr bis zu Wohn-Accessoires. Alles, was man im täglichen Leben braucht oder auch nicht braucht, aber trotzdem haben will.

Wir bieten Lifestyle-Produkte an, sind cool und „contemporary“. Das ist letztlich viel wichtiger als das Thema Luxus.
 

KaDeWe Group, Mariahilfer-Strasse und Christoph-Stadlhuber SIGNA

Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber


EUGEN OTTO: Jeder möchte die neusten Trends in seinen Geschäften oder selbst Trends setzen.

CHRISTOPH STADLHUBER: Genau, aber mit der KaDeWe-Group können wir global scouten und herausfinden: Wo sind die coolsten Brands, welche sind angesagt und passen nach Wien? Das können wir an einzelnen Standorten ausprobieren und dann erst auf den Rest der Häuser ausrollen. Diese Flexibilität hat man im Warenhaus, weil einem die Flächen gehören.

THOMAS HAHN: Wien hatte sehr lange eine großartige Warenhaus- und Kaufhaus-Kultur. Das ging leider – auch durch den Zweiten Weltkrieg – verloren. Mit unserer Ecklage, der herausragenden Architektur, einer Flächengröße von 20.000 m² auf 8 Geschoßen und einem vielfältigen Gastronomie-Angebot werden wir diese verlorengegangene Warenhaus-Kultur wieder zurückbringen. Wir werden das, was man vom KaDeWe in Berlin kennt – nur hat Berlin knapp 4.000.000 Einwohnerinnen und Einwohner auf die Dimension Wiens herunterbrechen. Wir schaffen im unteren Teil der Mariahilfer Straße eine Verlängerung der Innenstadt und werden damit das Bild der Mariahilfer Straße positiv prägen.

Ergänzend ein zweites Thema, bei dem die Mariahilfer Straße einen Mangel aufweist: die Gastronomie. Wir wissen, wie wichtig die Gastronomie heutzutage als „Dosenöffner“ für die Retailer geworden ist. Das hat man in der Mariahilfer Straße mit ganz wenigen Ausnahmen verpasst. Es gibt einzelne neue Locations: Bernd Schlacher macht ein sehr gutes Konzept im Hotel Kummer, auch Ikea hat eine tolle Gastronomie: die Lage, der Ausblick, das ist nicht mehr eine Kantine, sondern das ist wirklich ein gutes Restaurant geworden.

Früher hätte man gesagt, ein Einkaufszentrum braucht zwei Magneten. Auf der Mariahilfer Straße ist das Ikea, und jetzt sind es wir. Und dazwischen liegt die ganze Mariahilfer Straße. Sie ist einmal die längste, die wichtigste und beste Einkaufsstraße Österreichs gewesen und soll es auch wieder werden. Dazu wollen wir einen wichtigen Beitrag leisten.

Die Wienerin und der Wiener kennen das Warenhaus in der Form, wie wir es anbieten werden nicht. Wir forcieren auch den Begriff Luxus nicht, weil er Zielgruppen ausschließt, und das wollen wir auf gar keinen Fall. Andre Maeder sagt immer: „Es ist ein demokratisches Haus, es ist für jede Frau und jeden Mann.“ Man kann bei uns auch Kleinstprodukte und -artikel kaufen. Mit dem 1.000 Quadratmeter großen Dachpark bieten wir sogar eine konsumfreie Zone. Man muss also nicht konsumieren, wenn man uns besucht. Wir freuen uns über jeden Kunden, aber der erste Schritt kann auch sein, einfach nur die Aussicht zu genießen.
 

Christoph Stadlhuber und Thomas Hahn, SIGNA

Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber und Mag. Thomas Hahn
 

CHRISTOPH STADLHUBER: Ein Haus wie unseres gehört in die Mariahilfer Straße und nicht in den 1. Bezirk, das muss man klipp und klar sagen. Auch die drei Warenhäuser, die wir in Deutschland betreiben, sind nicht in den Luxusstraßen angesiedelt. In München etwa sind wir in der Neuhauser Straße, der „consuming-street“, wie die Händler sagen. Die Maximilianstraße ist die Luxuseinkaufsstraße. In Wien gehört unser Haus in eine traditionelle Einkaufsstraße, wie es eben die Mariahilfer Straße ist. Wo waren die letzten Warenhäuser in Wien? Herzmansky, Gerngross, Staffa – alle drei in der Mariahilfer Straße.

Und wenn ich bei den Begriffen lifestylig, contemporary, cool bleibe – welche Bezirke passen dazu am besten? Ich denke, da ist der 7. Bezirk prädestiniert.

EUGEN OTTO: Wie wird die Abgrenzung zum 1. Bezirk ausschauen? Das sind doch zwei unterschiedliche Welten? Ergänzt sich das Angebot, oder nimmt man sich gegenseitig etwas weg?

CHRISTOPH STADLHUBER: Die Menschen werden einmal dort und einmal dort sein. Wir haben Brands, die in der Innenstadt bzw. im Goldenen Quartier angesiedelt sind, die sagen werden: „Wenn ihr mit dem Luxuswarenhaus kommt, dann gehen wir auch dorthin.“ Ich kann noch keine Brands nennen, mit denen die KaDeWe-Group Gespräche führt, aber es wird dann wohl zweite Standorte in Wien geben.

EUGEN OTTO: Wie wird sich das auf den 1. Bezirk und das Goldene Quartier auswirken?

CHRISTOPH STADLHUBER: Wir sind froh, in diesem Grätzel zwischen 6. und 7. Bezirk in unser Umfeld eingebettet zu sein. Wir halten Kontakt zu den direkten Nachbarn. Wir werden mit den Händlern aus der Umgebung kooperieren und viele Wiener Händler in unser Haus holen, Retailer, Brands, neue Brands, die entstehen, sei es Pop-up oder fix. Wir wollen wie auf einem Marktplatz mit der direkten Umgebung und mit der Stadt komplett vernetzt sein. Damit sind wir auch nicht von Touristenströmen abhängig. Denn bei Corona haben wir gesehen, wie die Situation war: Die Einkaufsstraßen haben halbwegs gut funktioniert, aber die fehlenden Touristen haben Umsatzeinbrüche gebracht. Wir werden mit diesem Haus sicherlich auch eine neue Kundenschicht generieren, die nach Wien kommt. Eine direkte Konkurrenz zwischen dem 1. Bezirk und der Mariahilfer Straße sehen wir daher nicht.
 

Thomas Hahn, SIGNA, und Patrick Homm, OTTO Immobilien

Mag. Thomas Hahn und Patrick Homm, MA


EUGEN OTTO: Wie sehen Sie die preisliche Entwicklung in der Innenstadt? Die wichtigsten 150 Meter kann man auch heute noch versteigern, aber alles, was dahinter liegt, ist schon schwierig zu vermieten?

CHRISTOPH STADLHUBER: Wir erleben gerade eine gewisse Aufbruchsstimmung, zugleich aber befinden wir uns noch in einer Art Verunsicherung – eben weil die Touristen teilweise coronabedingt fehlen. Aber die Leute wollen reisen. Es wird vielleicht noch zwei Jahre dauern, machen wir uns nichts vor, aber wir werden wieder super Auslastungen bekommen. Wir gehen davon aus, dass Wien wegen der Pandemie nicht an Attraktivität verloren hat. Im Gegenteil, das Reisen wird noch wichtiger, noch zentraler werden, weil die Leute erlebt haben, was es bedeutet, nicht reisen zu können.

EUGEN OTTO: Für die Preissituation bedeutet das also, abwarten, bis die Auswirkungen der Pandemie vorbei sind, und dann wird es wieder eine gesunde Basis geben?

CHRISTOPH STADLHUBER: Die Flächengrößen gehen zurück. Es gibt natürlich einzelne Nischen, die weiter funktionieren, aber Flagshipstores mit 4.000 m² werden zunehmend seltener.

THOMAS HAHN: Dem stimme ich voll zu. Als Entwickler, als Vermieter habe ich natürlich andere Zeitspannen im Kopf als der Mieter, der vielleicht genau jetzt einen Standort will. Durch die Pandemie hat es Leerstände gegeben. Da haben sich Möglichkeiten eröffnet, auch in Lagen, die zu den von Ihnen genannten wertvollen 150 Metern gehören. Früher hätte man etwa am Kohlmarkt fast keine Option gehabt, jetzt gibt es dort wahrscheinlich fünf oder sechs vakante Flächen. Aber wir bieten gerade mit dem KaDeWe auch eine neue Flächengröße. Wir haben Marken im Goldenen Quartier, die vielleicht 300 m² Monobrand-Shop bespielen, die aber auch ins KaDeWe gehen werden. Mit einem 80 m² großen Concessionstore sprechen sie dort eine andere Zielgruppe an und können dadurch einen ergänzenden Umsatz erwarten. Wenn sie sich mit einem zweiten Standort nur kannibalisieren würden, würden sie das sicher nicht machen – und wir auch nicht.

Es wird durch unser Haus einen Premiumtourismus in der Mariahilfer Straße geben. In einem Warenhaus habe ich eine deutlich niedrigere Hemmschwelle, den Shop zu betreten, als wenn ich mich bei einer Luxus-Boutique vor der Tür anstelle und warten muss, dass ich dieses Geschäft betreten darf. Wir werden das auch dementsprechend architektonisch gestalten, und dann gibt es kaum Barrieren, auch einmal in einen Luxusmarken-Shop zu schauen und sich etwas im unteren Bereich zu leisten. Das ist dann eben leistbarer Luxus.

Das zweite Thema sind die Laufzeiten der Verträge. Jemanden für zehn plus fünf Jahre zu binden, ist schwieriger geworden, auch für die großen Flächen. Da kalkulieren die Marken heutzutage schon ein bisschen vorsichtiger als vor einigen Jahren. Aber wir glauben, dass sich in zwei Jahren die Attraktivität von Wien – wir waren schließlich zehn Jahre die lebenswerteste Stadt der Welt – wieder einstellen wird.

CHRISTOPH STADLHUBER: Erreichbarkeit ist ebenfalls ein wichtiges Thema. Ryanair wird nächstes Jahr mehr Starts und Landungen haben als die Austrian. EasyJet hat sich hier groß niedergelassen. Wien ist wirklich eine attraktive Stadt und es gibt viele Direktverbindungen. Das ist das Um und Auf.

PATRICK HOMM: Spannend finde ich Ihre Aussage über neu nach Wien kommende Brands. Genau diesem Trend wird das KaDeWe gerecht werden, weil man hier die Plattform und attraktive Flächen kurzfristig zur Verfügung stellen kann.

 

Eugen Otto und Christoph Stadlhuber über KaDeWe Mariahilfer Strasse Mahü

Dr. Eugen Otto und Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber
 

EUGEN OTTO: Erwarten Sie, dass sich das Klientel des 1. Bezirks und jenes des 6. und 7. Bezirks mehr vermischen werden? Vielleicht wird es in Summe etwas mehr Umsatz geben, ganz sicher wird es aber zu Verschiebungen kommen.

CHRISTOPH STADLHUBER: Ich stelle eine Gegenthese auf: Wir werden nicht die Konkurrenz zwischen 1010 und 1070 Wien haben, wir werden mit unserem Warenhaus den Wettbewerb mit dem Onlinehandel aufnehmen. Ich interessiere mich ja zuerst für ein Produkt, wähle dann die Marke und frage mich zuletzt, wo ich einkaufen werden. Dann lautet das Duell nicht 1010 gegen 1070, sondern digital gegen stationär. Und wenn Sie in ein Premium-Lifestyle-Warenhaus wie unseres kommen – mit Gastronomie und allem, was Sie sich wünschen –, wer kauft dann noch im Internet ein?

Seien wir ehrlich: Online-Kauf ist praktisch und bequem. Aber ist er ein Erlebnis? Vielleicht ein negatives, wenn etwas einmal nicht funktioniert. Aber ein schönes Warenhaus ist ein Erlebnis. Vor zehn Jahren haben alle gelacht, als Besucher aus midle-east gesagt haben, Shoppen sei ein Freizeitvergnügen. Jetzt ist das aber auch bei uns ganz normal. Und wir mit unseren Häusern zeigen, wie Einkaufserlebnis funktioniert. Da hat die Gastronomie einen ganz wesentlichen Anteil daran.

EUGEN OTTO: Was wird das Besondere an der Gastronomie in Ihrem Haus sein?

CHRISTOPH STADLHUBER: Das gesamte Projekt, von der Immobilienseite betrachtet, hat vier große Nutzungen: Bisher haben wir vor allem über das Warenhaus gesprochen, das sind 20.000 m². Zusätzlich haben wir das Hotel, ein sehr trendiges Lifestylehotel mit 150 Zimmern, die Gastronomie und den Dachgarten. In Summe werden wir 5.000 m² Gastronomieflächen innen und außen haben. Sie sind in den Obergeschoßen angesiedelt. Das heißt, den traumhaften Blick von oben auf die Wiener Innenstadt können dann alle Besucherinnen und Besucher der Lokale genießen.

Die Gastronomie wird von voraussichtlich fünf oder sechs Gastronomen bespielt werden – von bekannten Wiener Namen, es kann aber auch ein Berliner oder ein anderer Einfluss dabei sein. Das Hotel wird seine Gäste selbst verköstigen.

Die großzügigen Gastronomieflächen im obersten Geschoß haben den Effekt, dass sie die Leute hinaufziehen. Dort trifft man sich, dort tratscht man, dort konsumiert man. Und dann geht man, wenn man sich die Zeit nimmt – und Zeit ist eben der Luxus – flanieren, schlendert langsam nach unten bis zum Ausgang und kauft ein. Gute Gastronomie erhöht die Verweildauer im Warenhaus, und genau darum geht es.

EUGEN OTTO: Werden die Gastronomie und der Dachgarten autark vom Rest funktionieren, also 24/7?

THOMAS HAHN: Der konsumfreie Dachpark auf der Hotelseite, mit Öffnungszeiten von 8:00 Uhr bis 20:00 Uhr im Winter und 8:00 bis 21:30 in der warmen Jahreszeit, ist von dem Warenhaus komplett abgekoppelt und über einen eigenen Aufzug erreichbar. So eine einzigartige Location ist natürlich ein schöner Fuß in der Tür, das wird sicherlich auch für das regionale Publikum ein absoluter Hotspot werden. Davon sind wir überzeugt Und natürlich soll auch ein Austausch zwischen Dachpark und Warenhaus mit seiner eindrucksvollen Gastronomieebene stattfinden.

EUGEN OTTO: Gibt es auch Sorgen oder besondere Herausforderungen, die bei dem Projekt aufgetreten sind? Ein so großes Grundstück in der Stadt zu verbauen, ist nicht leicht. Gab es Kritik an der Architektur oder gab es Schwierigkeiten im Genehmigungsverfahren?

CHRISTOPH STADLHUBER: Das gesamte Projekt ist eine enorme bauliche und rechtstechnische Herausforderung. Das alte „Leiner-Haus“, eigentlich war es ja nicht eines, sondern es waren mehrere Objekte, die im Laufe der Jahrzehnte zusammengeschlossen wurden, hatte vier unterschiedliche Niveauhöhen der Stockwerke. Für den Konsumenten bedeutete das also ein ständiges „rauf und runter“. In logischer Konsequenz mündet aber jeder Niveausprung in Umsatzeinbußen. Letztendlich bleibt ein Teil der schön gegliederten Gründerzeithaus-Fassade entlang der Mariahilferstrasse 12-16 erhalten, der Rest ist mittlerweile abgebrochen. Die Planungen basieren auf einem Architekturwettbewerb, zu dem vier renommierte internationale Büros – alle mit dementsprechender Erfahrung bei der Errichtung von Warenhäusern – geladen waren. Aus dem mit der Stadt Wien abgestimmten Verfahren ist O.M.A als Sieger hervorgegangen – ein sensationelles Büro mit entsprechender Erfahrung in dem speziellen Segment mit seinen ganz besonderen logistischen Abläufen.

Wir verbauen eine Brutto-Geschossfläche von fast 70.000 m² im innerstädtischen Raum auf einer Grundfläche von rund 7.500 m². Das ist baulich die größte Herausforderung. Die enge Karl-Schweighofer-Gasse ist die einzige Zu- und Abfahrtsstraße für die gesamte Abbruch- und Baulogistik.

Abseits der nackten betriebswirtschaftlichen und technischen Seite haben wir von Beginn an intensiv mit allen Stakeholdern kommuniziert. Denn Informationsdefizite führen immer zu Unsicherheit, die wiederum in Widerstand münden. Unser Engagement in dem Bereich ist mit Sicherheit weit überdurchschnittlich. De facto haben wir dadurch aber erreicht, dass es eine sehr hohe Zustimmung nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern sogar in der Nachbarschaft gibt.

Natürlich war dort die Begeisterung über Baulärm und Schmutz enden wollend. Aber wir haben das direkte Umfeld kontinuierlich über die Aktivitäten auf der Baustelle informiert. Wenn man als Anrainer im Vorfeld weiß, dass es beispielsweise an einem genauen Tag zu einer bestimmten Zeit besonders laut wird, gibt es keine Überraschungen.

Diese Vorgehensweise wurde auch zu schätzen gewusst. In die direkt betroffene Nachbarschaft gehen und mit den Händlern in der Umgebung reden, sie davon überzeugen, dass die Errichtung zwar eine bescheiden angenehme Phase ist, es nach Fertigstellung natürlich für jeden eine Bereicherung ist.

THOMAS HAHN: Wir sind von Höhe Stiftgasse bis hinunter zum Ring gegangen. Ich war bei jedem Händler und habe ihn vorbereitet. Wir haben Briefe in die Briefkästen geworfen. Gewisse negative Auswirkungen eines Abrisses kann man trotzdem nicht vermeiden. Das ist eine ständige Herausforderung, die noch drei Jahre dauern wird. Dessen waren wir uns bewusst, und das haben wir uns auch proaktiv an die Fahnen geheftet, dass wir versuchen, hier eine Kommunikation aufzubauen und die negativen Dinge, die aufpoppen, zu kompensieren. Am Ende wird unser Projekt den gesamten Handel des Bezirks aufwerten.
 

Anthony Crow, MSc, und Patrick Homm, MA
 

ANTHONY CROW: Erwarten sich die Händler und Hausbesitzer der Umgebung positive Synergien oder sehen sie die Entwicklungen kritisch?

THOMAS HAHN: Gemäß eines Sprichwortes liegt es in der Genetik eines Kaufmanns bzw. einer Kauffrau oder eines Händlers, zu jammern und – besonders in Wien – manches pessimistisch zu sehen. Die erste Reaktion bei einigen war daher: „Das große Warenhaus wird bestimmt meine Marke führen und damit bin ich tot.“ Aber dann fällt ihnen ein, dass dadurch neue Frequenz in die Mariahilfer Straße kommt. Das ist unsere Herausforderung, durch das neue Warenhaus bis in das Siebensternviertel für neue Frequenz zu sorgen. Die Karl-Schweighofer-Gasse wird eine völlig neue Qualität erleben, wenn wir fertig sind. Das sehen auch die Händler und bauen auf die neue Frequenz.

CHRISTOPH STADLHUBER: Als wir das Wettbewerbsergebnis präsentiert haben, waren in einer spezifisch ausgerichteten Informationsveranstaltung die Händler aus der Umgebung eingeladen. Natürlich war bei den Anwesenden eine gewisse Verunsicherung spürbar und jeder hat sich gefragt, wie sich unser Warenhaus auf sein/ihr Geschäft auswirken wird. Eine Schuhhändlerin hat in der darauffolgenden Diskussion das Wort ergriffen und sich erklärt, dass sie unser Warenhaus auch als Chance für ihr Geschäft sieht, da das neue Warenhaus Frequenz und auch neue potenzielle Kundschaft für sie bringen kann. Und genau darum geht es: integrierter Bestandteil der Retail-Umgebung in der Nachbarschaft zu werden. Man sieht, dort wo Händler innovativ sind und weiterdenken, dort erkennt man die Chancen.

EUGEN OTTO: Nach zehn Jahren bei SIGNA: Was hat sich verändert im Unternehmen?

CHRISTOPH STADLHUBER: Wir sind pro Jahr um fast eine Milliarde Euro im Volumen gewachsen, wir generieren also starkes Wachstum. Natürlich hat sich vieles verändert und weiterentwickelt, geblieben aber sind die enorme Dynamik, Zielstrebigkeit, rasche Entscheidungsfindung und Kreativität. Unverändert geblieben ist auch unser Glaube an den stationären Handel und das Einkaufserlebnis in den Innenstädten. Wir sind immer noch fokussiert auf das deutschsprachige Europa und werden es auch in der nächsten Zeit nicht verlassen, weil das unsere Heimmärkte sind. Da kennen wir uns aus und sind auch mit jeweils lokalen Büros vertreten: Die Hamburger wissen, wie Hamburg tickt, die Berliner, wie Berlin tickt und wir wissen, wie Wien tickt. Das ist jedenfalls der Schlüssel zum Erfolg. Ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand beispielsweise ein so komplexes Haus in Wien entwickeln könnte, wenn er nicht hier zu Hause ist.

EUGEN OTTO: Das ist wahrscheinlich das größte Retailprojekt, das es jemals gegeben hat. Noch eine letzte Frage: Was ändert sich für Sie in Ihrer neuen Rolle?

CHRISTOPH STADLHUBER: Aufgrund des dynamischen Wachstums von SIGNA wird mein Fokus als Geschäftsführer der SIGNA Holding in der Zukunft die Organisation der Holding und ihrer verbundenen Gesellschaften sein. Ich unterstütze aber weiterhin und unverändert das Immobilien-Geschäft in Österreich mit meinem Netzwerk und bleibe das Gesicht von SIGNA in Österreich nach außen.

EUGEN OTTO: Der Arbeitstitel Ihres Projekts heißt „MAHÜ 10-18“? Wir vermuten aber, dass es am Ende ein mondänerer Name sein wird?

CHRISTOPH STADLHUBER: Den Namen unseres Warenhauses können wir noch nicht sagen. Natürlich wird das Haus nicht KaDeWe heißen, das ist Berlin vorbehalten. Die anderen Häuser heißen Alsterhaus, Oberpollinger oder Carsch-Haus. So wird es auch für Wien einen typischen Namen geben, aber das haben wir noch nicht final entschieden.

EUGEN OTTO: Vielen herzlichen Dank für das Gespräch!

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ZUR PERSON: Dipl.-Ing. Christoph Stadlhuber steuert als Geschäftsführer der SIGNA Holding ein Immobilienvermögen in der Höhe von mehreren Milliarden Euro. Quartiersentwicklung und die implizit damit einhergehende Herausforderung unterschiedlichste Nutzungen miteinander in Einklang zu bringen, gehört zu den besonderen Leidenschaften des studierten Raumplaners. Ein Herzensanliegen ist ihm auch die Stärkung der urbanen Zentren: „Lebens-werte Orte zu schaffen ist unsere Mission. Wir glauben an die Innenstädte und an den stationären Handel.“

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Retail-Marktbericht von Otto Immobilien, 2021


Diesen Beitrag haben wir unserem neuen Retail-Marktbericht 2021 entnommen.

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