EUGEN OTTO:
Ihr Fokus liegt auf dem Wiener Zinshaus?
HANNES STIEGER:
Absolut. Und warum das Wiener Zinshaus? Erstens bin ich selber Wiener und man wächst damit auf. Das ist, glaube ich, der Antrieb für viele Leute am Markt. Sie wollen hier ihre Geschäfte machen, obwohl Wien – auch von den Regulatorien her – sicher nicht der leichteste Markt im deutschsprachigen oder europäischen Raum ist. Zweitens ist das Wiener Zinshaus nachhaltig, beständig und ein sehr solides Investment. Es ist fast schon langweilig, weil sich in einem Zinshaus kaum etwas tut, dafür ist es aber auch sehr sicher und für eine langfristige Strategie perfekt.
EUGEN OTTO:
Ich habe in meiner 40-jährigen Berufstätigkeit noch nie erlebt, dass ein Zinshaus weniger wert geworden wäre, und bin gespannt, wie lange das anhält.
HANNES STIEGER:
Als ich mein erstes Zinshaus für 1.000 Euro pro m² kaufen wollte, hat mir ein erfahrener Banker gesagt: „Herr Stieger, ich mache das schon 20 Jahre und noch nie hat ein Zinshaus mehr als 800 Euro pro m² gekostet. Jetzt reicht‘s einmal. Die spinnen ja alle!“ Ich habe es trotzdem gekauft und finde die Aussage im Nachhinein sehr amüsant.
EUGEN OTTO:
Wenn man sich umschaut, was heute angeboten und abgeschlossen wird, sind die 1.000 Euro pro m² tatsächlich interessant. Ich bin genau wie Sie ein Fan des Wiener Zinshauses. Das ist einer der Gründe, warum wir den Zinshausmarktbericht herausgebracht haben. Ich habe in der Verwaltung und auch im Maklergeschäft oft miterlebt, dass Zinshausbesitzer den wahren Wert ihrer Immobilie nicht einschätzen konnten und dann von Käufern hineingelegt worden sind. Das hat mich geärgert. Seit die Kaufverträge elektronisch verpflichtend ins Grundbuch kommen, können wir flächendeckend informieren. Welche Bereiche interessieren Sie neben dem Zinshaus noch?
HANNES STIEGER:
Deutschland ist ein sehr spannender Markt, gerade für uns Österreicher. Ich habe von Anfang an gewusst, dass etwa Berlin weitaus billiger ist und genauso schöne Häuser hat wie wir. Trotzdem bin ich dort nicht investiert, weil es zu viele Akteure gab und gibt. Die warten nicht auf mich. Ich mache einiges in Hannover und Umgebung, aber auch im Hamburger Speckgürtel. Da gibt es schon nette Häuser, aber generell haben sie selten den Charme eines richtigen Wiener Zinshauses. In Wien kauft man oft noch von Privaten und erzielt eine Wertsteigerung, weil man die Häuser besser managt. In Deutschland kaufen wir auch von Fonds, die ihre meist schon sanierten Restbestände loswerden wollen. Die kommen mit zehn Anwälten und einer Liste, was der Käufer alles zu erledigen hat. Wenn aber der erste Deal erfolgreich abgeschlossen ist, geht es danach viel schneller. Da haben wir schon eine gute Vertrauensbasis aufgebaut.
EUGEN OTTO:
Viele Mitbewerber in Ihrer Größe treten am Markt sehr präsent auf. Sie üben sich im Vergleich dazu in fast schon nobler Zurückhaltung. Ist das eine bewusste Positionierung?
HANNES STIEGER:
Das ist wohl eine Charaktersache. Ich möchte nach außen nicht groß auftragen, bin eher zurückhaltend und trete auch nicht so stark unter einer Marke auf, was anderen wiederum sehr wichtig ist. Es ist schon öfters vorgekommen, dass große Marktteilnehmer, die ich persönlich gut kenne, irgendwann einmal gesagt haben: „Ach, du bist die ,Velum‘!“ Den Kaufverträgen hatten sie entnommen, dass wir öfters zuschlagen, hatten aber kein Gesicht zum Firmennamen.
EUGEN OTTO:
Ich mache seit vielen Jahren Mentoring für die FH Wien und da fragen mich immer wieder Studierende: Haben Sie Tipps für uns? Wie ist der Immobilienmarkt? Was würden Sie antworten?
HANNES STIEGER:
Der Immobilienmarkt ist eine exzellente Branche und macht irrsinnig Spaß. Wenn junge Leute in Richtung Wirtschaft/Immobilien/Immobilienwirtschaft studieren, ist schon einmal der wichtigste Schritt getan. Ich würde auf jeden Fall schauen, dass ich schon während des Studiums Praxiserfahrung sammle. Auch wir nehmen gerne Praktikanten auf. Das Allerwichtigste ist aber, mit Eifer und Energie in das Ganze hineinzugehen.
EUGEN OTTO:
Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass es bei Ihnen keine Gremien und keine langen Entscheidungswege gibt. Menschen, die Ihnen etwas verkaufen, sitzen mit den Entscheidern am Tisch.
HANNES STIEGER:
Gerade für Privatpersonen ist der Verkauf eines Zinshauses eine der wichtigsten Entscheidungen ihres Lebens – zumindest monetär. Natürlich geht es um Geld, aber auch – das sieht man bei jedem Deal – um Sympathie und darum, wem man sein Haus übergibt. Oft ist mein Angebot gar nicht das höchste, aber mir verkaufen sie das Haus lieber als jemandem, den sie als seelenlos wahrnehmen. Man würde ja glauben, dass jeder rein nach Geld und anderen objektivierbaren Kriterien entscheidet, aber so ist es überhaupt nicht. Gerade die teuerste Entscheidung ist die emotionalste.
EUGEN OTTO:
Wenn es von Privaten kommt, hängt oft viel Familiengeschichte daran.
HANNES STIEGER:
Bis zum Verkauf tun sich viele psychologisch auch sehr schwer, das Haus herzugeben, aber wenn es dann verkauft ist, wird nicht mehr viel nachgefragt. Ich bleibe öfters mit Abgebern in Kontakt, einfach weil man sich während des Verkaufsprozesses gut verstanden hat. Wenn ich dann anbiete, sie sollen doch einmal im Haus vorbeischauen, ist das gar nicht mehr so interessant für sie.