Gänsehäufel an der Alten Donau – über 100 Jahre Badevergnügen

Sonne anbeten, Rudern, Fußballspielen, Tennisspielen, Turnen, Kasperl-Vorführungen, Bistros, FKK und vieles mehr. Das Gänsehäufel ist nicht nur das größte Wiener Freibad, es ist eine generationen-übergreifende Institution. Stets hat man das Gefühl, sich mit dem Betreten des Bades ein Stück eigene Kindheit zurückzuholen.

Text: Markus Felkel

Kein Badevergnügen ohne Donauregulierung (1875)

Um die “wilde” Donau – mit all ihren Seitenarmen – zu bändigen und um die Hochwassersituation in Wien zu entschärfen, entstand der Plan, ein künstliches Flussbett anzulegen. Fünf Jahre baute man an dem Mammutprojekt. Am 14. April 1875 wurde begonnen, den Rollerdamm zu öffnen und das neue Flussbett freizugeben. Schnell sank im Bereich des alten Flussbettes der Wasserspiegel. Und der ehemalige Hauptarm – die heutige Alte Donau – wurde zu einem stillen Gewässer.

Der Rollerdamm kurz vor der Öffnung (1875). Noch leitet er die Donau rechts in die heutige Alte Donau um.


Schnell wurden die Inseln in der Alten Donau, die bisher nur kaum erreichbar waren, von den ersten Sonnenhungrigen in Beschlag genommen. Obwohl die Anreise noch einer Tortur glich – mit langen Fußmärschen vom Praterstern und Bootsfahrten. Weshalb so mancher Badegast den Aufenthalt verlängerte und im Freien übernachtete.

Freikörperkultur und Freiluftbaden auf dem Gänsehäufel

Tuberkulose und Rachitis waren im 19. Jahrhundert die Volkskrankheiten innerhalb der großstädtischen Bevölkerung. Hatte Wien 1800 noch 231.949 Einwohner, waren es nur hundert Jahre später – 1900 – bereits unglaubliche 1.674.957(Zahlen entnommen der Seite wien.at.)

Die Wohn- und Arbeitsplatzsituation der ärmeren Bevölkerungsschichten waren katastrophal. 11-Stunden Arbeitstage waren die Regel. In manchen Gewerken wurde bis zu 21 Stunden gearbeitet. Während beispielsweise einem Pferd nur ein 4-Stunden-Tag zugemutet wurde. Pferde waren wertvoller als Menschen. Denn Arbeitskräfte gab es in Wien ausreichend.

Mit dem Gänsehäufel tat sich plötzlich ein relativ nah erreichbares Freizeitparadies auf. Der Krankenpfleger Florian Berndl gilt als einer der Begründer der Badekultur. Er war Mitglied des 1885 gegründeten Ersten Wiener Amateurschwimmclubs. Es bildeten sich zu diesem Zeitpunkt einige Vereine heraus, die Freikörperkultur und Schwimmen in der Alten Donau für sich entdeckten.

Argwöhnisch beobachtet wurde das Treiben von den prüden, konservativen Wiener Gesellschaftskreisen. Diese sahen in den Naturisten nur Exoten, die ihren sexuellen Ausschweifungen frönen wollten. Berndl pachtete das Gänsehäufel für 15 Gulden jährlich und zog mit seiner Frau, seinen Kindern und seinen Anhängern dort hin.

Alsbald folgten mehr und mehr Wiener dem Ruf des Gänsehäufels. Es war die Sehnsucht den Zwängen der Großstadt für ein paar Stunden zu entfliehen, welche die Menschen zur Alten Donau trieb.


1905 wurde der Pachvertrag von Seiten der Stadt gekündigt – offiziell wegen fehlender Kantinen-Konzession. Tatsächlich hatten sich die konservativen Kräfte in der Stadtregierung gegen Florian Berndl durchgesetzt.

Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel

Die Stadt Wien übernahm das Bad selbst. Am 5. August 1907 eröffnete es unter dem Namen Strandbad der Commune Wien am Gänsehäufel

Es war – sittenstreng – unterteilt in einen Frauen-, einen Herren- und einen Familienbereich. Letzterer durfte nur von Paaren (mit Kindern) betreten werden.

  • Es wurden Umkleidemöglichkeiten geschaffen.

  • Das Bad wurde elektrifiziert.

  • Es wurde eine Sanitätsstation eingerichtet, da Badeunfälle häufig waren. Viele Menschen konnten nicht schwimmen.

  • Außerdem wurde die Straßenbahn (Linie 24) verlängert und eine Fähre installiert, welche die Badehungrigen auf die Insel überführte.

1927 wurde die Fähre durch eine Brücke ersetzt.

1945 – 1950: Zerstörung und Wiederaufbau

In den letzten Kriegswochen wurde das Bad komplett zerstört. Fälschlicherweise wurde es von den Alliierten für eine Kaserne gehalten. Nach den Plänen von Max Fellerer und Eugen Wörle wurde es ab 1948 wiederaufgebaut und 1950 eröffnet. In diesem Zusammenhang wurde Europas erstes Wellenbecken errichtet.

Bis zu 30.000 Menschen fasst das Bad. Tatsächlich ist es so groß, dass man sich nur kaum gegenseitig auf die Füße tritt.

Neben dem bereits erwähnten Wellenbecken bietet es noch zwei geheizte Becken. Außerdem einen Wasserpark, einen FKK-Bereich, einen Fußballplatz, Tennisplätze, Beachvolleyball-Plätze und seit 2007 einen Hochseilklettergarten.

Bis heute finden traditionell am Nachmittag Kasperlvorführungen im Puppenspiel-Freilufttheater statt.