Förderungen für „Raus aus Gas“ – kann auch das Gründerzeithaus profitieren?

Förderungen für „Raus aus Gas“ – kann auch das Gründerzeithaus profitieren?

Förderungen für „Raus aus Gas“ – kann auch das Gründerzeithaus profitieren? – ein Gastbeitrag von Mag. Doris Wirth

Die EU will bis 2050 klimaneutral werden. Da der Gebäudebestand für rund 40 % der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, bedarf es umfangreicher Investitionen, insbesondere des privaten Sektors. Die allseits diskutierte EU-Taxonomie-Verordnung wurde erlassen, um eine Renovierungswelle im Bestand auszulösen und die privaten Investitionen in Tätigkeiten zu lenken, die zur Klimaneutralität beitragen. Sie soll den Übergang beschleunigen und den Begriff „Nachhaltigkeit“ transparent machen.

Text: Mag. Doris Wirth // Fotos: Christian Steinbrenner

Das ist die politische Seite, die aus Klimaschutzgründen einen raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern verlangt. Die andere Seite ist die realpolitische: die derzeitigen Krisenherde in Osteuropa und im Nahen und Mittleren Osten verteuern fossile Energie in einem Maße, wie sich das Klimaschützer schon vor Jahren gewünscht hätten, und die Amortisationszeiten von Investitionen in Alternativenergien drastisch zu verkürzen.

Die Situation ist an vielen Ecken bereits prekär: Industrie und Haushalte stöhnen unter der Preisentwicklung, dieser Tage meldete sogar Wien Energie Zahlungsschwierigkeiten in Milliardenhöhe an aufgrund der hohen Einkaufspreise für Energie.

Der Umstieg auf regenerative Energieträger ist ein Gebot der Stunde.

In Großstädten werden Haushalte vor allem mit Erdgas als Energieträger für Heizung- und Warmwasser versorgt. Für den Umstieg auf regenerative Energieträgern ist zum einen die technisch-finanzielle, zum anderen aber auch die wohnrechtlich-soziale Machbarkeit zu prüfen. Denn die Kooperation von Eigentümer:innen, Wohnungseigentümer:innen, Mieter:innen und Behörden ist die Basis für eine erfolgreiche Umrüstung. Letztlich kommen auch die Förderstellen ins Spiel, handelt es sich doch meist um Investitionen, die vor dem steuerlich-technischen Abschreibungszeitraum vorhandener Wärmeerzeugungsanlagen getätigt werden sollen. Und die Förderstellen fordern vollständige Projektanträge mit der Unterschrift der jeweiligen Nutzer und Eigentümer.

Förderangebote – was trifft für meine Liegenschaft zu?

Derzeit gibt es eine große Zahl an Förderangeboten, die als Lenkungseffekte zum Klimaschutz beitragen sollen. Zu unterscheiden sind Bundes- und Landesförderungen, die teils auch kombiniert werden können. Die Mehrzahl der Förderrichtlinien setzen eine überschlägige Machbarkeitsstudie voraus, damit die Förderansuchen ausgefüllt werden können. Idealerweise beinhaltet die Machbarkeitsstudie auch die Frage, welche Förderinstrumente für die betrachtete Liegenschaft geeignet sind und enthält einen Wegweiser, wann welche Förderung einzureichen ist. Unten ist eine Auswahl von Förderinstrumenten mit der zugehörigen Web-Adresse und dem jeweiligen Schwerpunkt der Förderung gelistet.

Der Energieausweis als erste Orientierung

Wichtige Voraussetzung für fast jedes Förderungansuchen ist die Vorlage eines aktuellen und richtigen Energieausweises, jeweils vor und nach der Umrüstung. Auch die Finanzierungsinstitute verlangen Energieausweise, um einschätzen zu können, ob es sich um eine grüne Investition entsprechend der EU-Taxonomie-Verordnung handelt. Der Energieausweis weist nach der Umrüstung jedenfalls einen wesentlich niedrigeren Anteil an nicht-regenerativem Primärenergiebedarf und einen wesentlich niedrigeren CO2-Verbrauch aus.

Hausaufgaben vor dem Förderansuchen

Vor dem Förderantrag gilt es die eigenen Hausaufgaben zu machen und unter anderem die folgenden Fragen zu beantworten:

📌 Welche alternativen Energiequellen kommen für mein Objekt in Frage? Exemplarische Aufzählung: Wärmepumpen (zentral oder dezentral), Fernwärme, Grünes Gas, Erdwärme, Sonnenenergie, Pellets oder Hackschnitzel etc.

📌 Ist das erforderliche zusätzliche Raumangebot vorhanden? Wie kann der Leitungsverlauf erfolgen? Sind Umbauarbeiten in den Wohnungen notwendig? Gibt es die Möglichkeit für Tiefenbohrungen, für einen Energiekorb oder einen Flächenkollektor im Hof oder im Garten?

📌 Welche bautechnischen Maßnahmen können den Heizwärmebedarf senken? Können Kellerdecke und die oberste Geschoßdecke thermisch verbessert werden? Welche Fassadenteile können sinnvoll und kostengünstig gedämmt werden? Wie kann der U-Wert der Fenster verbessert werden? Kann ein außenliegender Sonnenschutz angebracht werden, um den Kühlbedarf im Sommer zu verringern? Wie kann die sommerliche Überwärmung im Dachgeschoß verhindert werden?

Auswahl an Fragen zur Kostenrechnung und Finanzierung:

📌 Welche Einsparungsmöglichkeiten gibt es bei der jeweiligen Umstellung bzw. ab wann rechnet sich diese? Bei den derzeitigen Preisen sind die Amortisationszeiten bei vielen Projekten halbiert, verglichen mit Berechnungen vor dem Februar 2022.

📌 Was kostet mich als Mieter/Eigentümer die jeweilige Umstellung bzw. legitim ist auch die Frage: Wer zahlt was an den Umrüst- und Anschaffungskosten und wer ist an den Betriebs- Wartungs-, Prüf- und Instandhaltungskosten beteiligt?

📌 Welche Fördermöglichkeiten gibt es zu den einzelnen Alternativen? Können Förderungen kombiniert werden, und wenn ja, welche? Wo und wie wird eingereicht? Ist die Förderung endfällig und muss vorfinanziert werden?
 

 
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Auswahl an rechtlich-sozialen Fragen:

📌 Gibt es mit der Umrüstung auch nachbarschaftsrechtliche Fragestellungen, z.B. Lärmemissionen durch die Wärmepumpe am Dach?

📌 Wenn der Dachboden als Aufstellort von Wärmepumpen verwendet wird: Was bedeutet das für die Eigentümergemeinschaft, z.B. Verlust des Dachbodens als mögliche Einnahmequelle?

📌 Müssen Flächen umgewidmet werden? Müssen Eigentümer auf Flächen verzichten? Wer soll das juristisch betreuen? Muss hierfür einstimmiger Beschluss vorliegen oder reicht eine einfache Mehrheit?

📌 Aus der Sicht von Mieter:innen: Wer entscheidet tatsächlich über einen Umstieg? Wie lange dauert so eine Umstellung? Welche Unannehmlichkeiten sind noch zu erwarten? Kann ich als Mieter eine Alternative selbst wählen oder muss ich die Zustimmung von Eigentümerseite einholen?

📌 Wer entscheidet über eine eigene Stromerzeugung am Dach? Muss bzw. kann ich mich als Mieter:in daran beteiligen? Wie erfolgt dann die Abrechnung/Gutschrift für mich?

Beauftragung einer Machbarkeitsstudie

Eine Machbarkeitsstudie zeigt tatsächlich mögliche Umsetzungsvarianten, basierend auf folgender Grundlage aus, und kann damit ein wesentliche Entscheidungsgrundlage für mögliche Sanierungen darstellen:

📌 bauphysikalische Grundlagen des Gebäudes (Energieausweis)

📌 versorgungstechnische Möglichkeiten (z.B. Platz für die Fernwärmeübergabestation, Einwurfschächte und Lagerraum für Pellets, Aufstellflächen für die PV-Anlage, Flächen für Erdwärmegewinnung)

📌 mögliche Reduktion des Heizwärmebedarfs durch bautechnische Verbesserungen am Gebäude

📌 der rechtlichen Rahmenbedingungen, insbesondere betreffend die Frage „wer zahlt was bei Anschaffung und Betrieb?“

Maßnahmen zur thermischen Verbesserung haben direkten Einfluss auf den zukünftigen Heizwärme- und Kühlbedarf des Gebäudes – und können damit die Dimensionierung der alternativen Heizform drastisch reduzieren. Auch das Verteilsystem im Haus ist entscheidend für die gesamte Machbarkeit der Umrüstung.

In der Praxis können an der Fassade von Gründerzeithäusern meist keine bautechnischen Maßnahmen gesetzt werden, sehr wohl jedoch in den Innenhöfen, an der Keller- und Dachbodendecke, an noch nicht gedämmten Feuermauern - sofern nachbarrechtlich zulässig - und durch die Sanierung bzw. den Tausch der Fenster. Die technische Verbesserung der Innenflügel kann sowohl straßen- als auch hofseitig den Energiebedarf des Hauses verbessern und entscheidenden Einfluss auf die Auslegung des zukünftigen Heizsystems nehmen.

Stellt sich eine zentrale Heizungs- und Warmwasseraufbereitung als beste Alternative heraus, so ist die optimale Leitungsführung zu planen (Keller, Schächte, Hinterhöfe, Liftspindel etc.), von der neuen Heizzentrale bis zum Eintritt in die Wohnung selbst, dies möglichst substanzschonend.

Weil mit Gas nicht nur geheizt, sondern oftmals auch gekocht wird, ist auch die Qualität der Stromleitungen zu prüfen und sind eventuell Zuleitungen für E-Herde herzustellen.

Das Gründerzeithaus ist anpassungsfähig

Aufgrund der großzügigen Raumhöhen und so manch vorhandener Flächenreserven im Keller eignet sich das Gründerzeithaus besser zur Umrüstung als so manche Bauten aus den 60ern und 80ern des vorigen Jahrhunderts. Der Einbau von Heizzentralen wurde vom Wohnfonds-Wien im Zuge der zahlreichen Sockelsanierungen intensiv gefördert. Derzeit gibt es auch eine eigene Förderschiene für die Errichtung oder Nachrüstung einer Zentralheizungsanlage mit oder ohne Anschluss an Fernwärme.

Umrüstungen dürfen das heikle bauphysikalische System eines Gründerzeithauses nicht stören, sondern müssen es unterstützen, um spätere Bauschäden und Schimmelbildung zu vermeiden. Daher ist die Zusammenarbeit mit Experten und Fachplanern unerlässlich, zumal es sich um langfristige, nachhaltige und werthaltige Investitionen handelt.
 

INFORMATIONEN & FÖRDERSTELLEN

Im folgenden sind die Förderstellen für die Umrüstung auf alternative Energiequellen und für energieeffiziente Maßnahmen in Gebäuden zur Reduktion des Heizwärmebedarfs und des Primärenergiebedarfs gelistet:

📌 Raus aus Öl und Gas für Private - mehrgeschoßiger Wohnbau (Bundesförderung)

📌 Sanierungscheck für Private - mehrgeschoßiger Wohnbau (Bundesförderung)

📌 THEWOSAN inkl. Einzelbauteilförderung und Sockelsanierung (Landesförderung Wien)

📌 Errichtung und Umstellung/Nachrüstung vorhandener Heizanlagen (Landesförderung Wien)

📌 Photovoltaik Gründach- und Flugdachförderung (Landesförderung Wien)

📌 Stationäre Stromspeicher (Landesförderung Wien)

📌 Förderung für Wärmenetze (Anergienetze) in Verbindung mit Wärmepumpen für bis zu 3 Objekten (Landesförderung Wien)
 

Webadressen:

www.umweltfoerderung.at
www.wohnfonds.wien.at
www.wien.gv.at

 
Mag. Doris Wirth

Mag. Doris Wirth – zur Person:

Sie ist zertifizierte DGNB/ÖGNI-Auditorin, EU-Taxonomy-Advisor, approved by ÖGNI und qualifizierte Energieauditorin gemäß §17 EEffG.

Sie hat 1997 das Unternehmen BLUESAVE gegründet, das auf die nachhaltige Sanierung von Gründerzeithäusern spezialisiert ist.



 

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