Alexandra Reinagl – Verkehrsexpertin – Wiener Typen // Typisch Wien

Alexandra Reinagl, Wiener Linien

Alexandra Reinagl – Verkehrsexpertin – Wiener Typen // Typisch Wien

Text: Nicole Spilker // Fotos: Barbara Nidetzky, Christian Steinbrenner

Gut 2,6 Millionen Fahrgäste benützen täglich die Wiener Linien, und damit das auch wirklich reibungslos funktioniert, gibt es ein paar Regeln. Wenn also zum Beispiel ein Fahrgast genüsslich seine Sneakers auf dem U-Bahn-Sitz gegenüber abstellt – nun, dann kann Alexandra Reinagl einfach nicht anders. Sie muss etwas unternehmen.

Reinagl, Geschäftsführerin für Betrieb & Vertrieb der Wiener Linien, ist dafür zwar nicht wirklich zuständig, aber man kann halt auch nicht heraus aus der eigenen Haut: „Wenn ich so etwas beobachte, tut mir das schon sehr weh. Gerade die Sauberkeit und das Erscheinungsbild in den Zügen sind mir so wichtig“, erzählt die gebürtige Wienerin. Und erklärt dann halt direkt vor Ort – höflich, aber bestimmt – dass solch ein Verhalten nicht gerne gesehen ist. Sie macht das nicht nur, weil sie persönlich ein ziemlich aufgeräumter Mensch ist, sondern auch weil sie weiß, dass eine ordentliche Infrastruktur für Sicherheitsgefühl ihrer Kundschaft sorgt. Und das ist der Managerin eine echte Herzensangelegenheit. „Mich erkennt man daran, dass ich die Zeitungen in den Zügen aufsammle und entsorge. Seit Pandemiebeginn mache ich das etwas verhaltener, aber ganz lassen kann ich‘s auch nicht. Allein wegen der Vorbildwirkung“, erzählt sie schmunzelnd.

Leihräder der Wiener Linien

Doch wer ist die Frau, die da mit so gutem Beispiel in den Wiener Linien vorangeht? Alexandra Reinagl, aufgewachsen im 23. Bezirk und in ihrer Jugend begeisterte Nachtbusfahrerin („Ich bin aus der Generation Disko und hatte keine Taxi-Eltern“), studierte Rechtswissenschaften in Wien. Nach verschiedenen Stationen in der Stadtverwaltung (wo sie unter anderem auch für die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in Wien verantwortlich war) und ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin des Verkehrsverbund Ost-Region (VOR), kam Reinagl zu den Wiener Linien. Hier war sie ab 2011 das erste weibliche Mitglied der Geschäftsführung. Ab November 2022 soll das Unternehmen dann mit drei Frauen an der Spitze in die Zukunft geführt werden. Wie diese Zukunft ausschaut, weiß Reinagl schon jetzt ziemlich präzise.

Was müssen wir unternehmen, damit der Mensch kein eigenes Auto mehr besitzen muss?

„Ich kann das Jahr 2030 in Bezug auf die Wiener Linien sehr genau voraussagen, weil ich eine leidenschaftliche Visionärin bin“, sagt die Mutter eines 18-jährigen Sohnes. Die große Frage der kommenden Jahre laute: Was muss unternommen werden, damit der Mensch kein eigenes Auto mehr besitzen muss? Alexandra Reinagls Antwort: Shared Mobility. „Wir denken da an Stationen, bei denen alle Möglichkeiten der Mobilität aufeinandertreffen.“
 

Wiener Linien, Zukunftsvisualisierung, Wien 2030

Neben Bim, U-Bahn und Bus seien das demnächst auch Leih-Fahrräder und -Elektroautos, die die Wiener Linien bereitstellen. „Im Stadtgebiet sollen mindestens 100 dieser Mobilstationen noch innerhalb der aktuellen Legislaturperiode errichtet werden, das ist auch das politische Ziel der Wiener Fortschrittskoalition“, so die Geschäftsführerin. Sie ist sich sicher, dass Menschen, die momentan noch keine Sharing-Angebote für Rad und E-Auto nutzen, ein solches Angebot eher in Erwägung ziehen, wenn eine etablierte, vertrauensvolle Marke dahintersteht. „Vielleicht können wir das Mindset nicht von heute auf morgen verändern, aber langfristig möchten wir einiges in dieser Hinsicht bewegen.“

Größer, heller, freundlicher

Bei der Visualisierung dieser neuen Mobilität-Hubs gerät die Expertin so richtig ins Schwärmen: „Die U-Bahn-Station der nahen Zukunft wird für mehr Sicherheit Bahnsteigtüren haben, die sich erst öffnen, wenn der Zug eingefahren ist. Im Übrigen tun wir schon jetzt alles dafür, um Angsträume verschwin- den zu lassen. Bahnhöfe sollen groß, hell und freundlich beleuchtet sein und mit Kunst, Farbe und Installationen bespielt werden.“ Es sollen Lebensräume entstehen, an denen sich Menschen gerne aufhalten. An der begrünten Oberfläche wiederum werden die verschiedenen Verkehrsarten aufeinandertreffen. Mit dem Einsatz von Solarpanelen wird versucht, in der Energiegewinnung autark zu sein. Und die Straßen werden schließlich nur mehr für Einsatzfahrzeuge, Lieferverkehr und Shared Mobility benötigt. „Das Nachrüsten einer alten Station ist natürlich schwierig, aber jede neue U-Bahn-Station eröffnet Chancen.“
 

Alexandra Reinagl, Wiener Linien

VISIONÄRIN. Ich kann das Jahr 2030 in Bezug auf die Wiener Linien sehr genau voraussagen,
weil ich eine leidenschaftliche Visionärin bin.

Die Veränderungen sind aber nicht nur baulicher Art: „Kfz-Mechaniker und -Mechanikerinnen, wie wir sie heute kennen, werden sich in Zukunft mit ganz anderen Dingen beschäftigen. Natürlich müssen sie auch weiterhin die Wagen warten können, sich zudem aber auch mit Dingen wie E-Mobilität und Wasserstoff auseinandersetzen“, erklärt die Wiener-Linien-Chefin. „Was ich mir grundsätzlich wünsche, ist, dass wir viel mehr Jobs mit einer Mischfunktion haben: Straßenbahn fahren, Bus fahren, in die Verwaltung gehen, Tickets überprüfen. Ich glaube, dass die Abwechslung den Menschen mehr Perspektive gibt.“ Reinagl weiß sehr gut, wovon sie redet. Schließlich hat auch sie schon probehalber Bus, Bahn und Bim bewegt („Schleppkurven fahren und dabei noch die Fahrgäste im Auge haben? Ich muss sagen: Mein Respekt vor Buslenker*innen ist nochmals gestiegen.“)

Die Jobs der Zukunft

Was Alexandra Reinagl aber am meisten beschäftigt: Werden die Menschen noch bereit sein, in einem Beruf zu arbeiten, dessen äußere Umstände sich zuletzt doch stark verändert haben? „Wir erleben viel Aggressivität gegenüber Vertreter*innen der öffentlichen Infrastruktur. Und mir macht es schon ein bisschen Sorge, dass wir auch weiterhin motivierte Mitarbeiter*innen finden, die zudem noch im Schichtdienst arbeiten müssen.“ Denn selbst wenn die U-Bahnen irgendwann einmal fahrerlos unterwegs sein werden, wird es noch Personal in den Stationen geben. Das sei auch für das subjektive Sicherheitsgefühl ihrer Kundinnen und Kunden wichtig. „Driverless doesn‘t mean humanless“, sagt sie. Seit Ausbruch der Corona-Pandemie stelle man bei den Wiener Linien aber auch wieder ein großes Interesse an krisensicheren Jobs fest. Und das, so Alexandra Reinagl „hätte ich vor drei Jahren auch nicht vorhersehen können.“

 

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