Inflation, Energiekosten & Co – Auswirkungen auf den Wiener Büroflächenmarkt – von Steven Bill Scheffler
Fotos: Christian Steinbrenner
Das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) prognostiziert für das kommende Jahr ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von +0,2 %. Dennoch ist der Begriff der Rezession ist in aller Munde und wird auf europäischer Ebene nahezu einvernehmlich erwartet. In der Regel spiegeln sich solche Veränderungen des Sentiments nach 3 - 6 Monaten in der Vermietungsleistung wider, da bereits initiierte Übersiedlungsprojekte zumeist fortgesetzt werden. Bisher hatten die wirtschaftlichen Negativaussichten noch keinen spürbaren Einfluss auf die Dynamik des Wiener Bürovermietungsmarktes. Kurzfristig dürften die bevorstehenden Mietpreissteigerungen allerdings gewisse Herausforderungen mit sich bringen.
Einerseits, werden bedingt durch die gestiegenen Energiekosten, sich die Vorauszahlungen für Betriebs- und Nebenkosten, deutlich erhöhen müssen oder wurden dies bereits kürzlich. Andererseits werden aufgrund der gestiegenen Inflation auch die Nominalmieten eine Steigerung erleben. Büromietverträge werden üblicher Weise zu 100 % an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes gekoppelt. Somit wird sich die zu erwartende Inflationsrate von 8,6 % für 2022 (gemäß WIFO) bei Bestandsmietverträgen im Rahmen der nächsten Indexierung zu Buche schlagen. In der Vermarktung befindliche Vakanzen müssen hingegen die nachhaltig gestiegenen Baukosten kompensieren, wodurch kurzfristig entweder ebenfalls die Mieten erhöht werden könnten oder die gängigen Incentives (Mietanreize wie Ausbaukostenzuschüsse oder Mietfreistellungen) reduziert werden müssten.
Abseits der Bestandsimmobilien, haben sowohl die vorherrschende Inflation, als auch die hohen Baukosten ebenfalls erhebliche Auswirkungen für Projektentwicklungen, weshalb diese erneut kritisch kalkuliert werden müssen. Bisher hat dies noch nicht dazu geführt, dass die Projektpipeline geschrumpft ist, jedoch sind aktuell Verzögerungen in der Umsetzung spürbar. Der anhaltende Trend, geringer Verfügbarkeiten von Neubauflächen in Bestlagen wird daher auch in den kommenden Jahren fester Bestandteil des Wiener Büromarktes sein.
In den vergangenen zwei Jahren, hat eine Vielzahl von Unternehmen beschlossen, im Sinne ihrer aktuellen und künftigen Mitarbeiter*innen die Attraktivität und/oder Erreichbarkeit der Büroflächen zu verbessern. Dieser Trend hält weiter an und dürfte sich in den kommenden Jahren im Sinne des „War for Talents“ verstärken. In Anbetracht der beschriebenen Marktentwicklung, empfiehlt es sich für diese Unternehmen, Projektentwicklungen bereits in der frühen Planungsphase zu prüfen, um die gehobenen Ansprüche abbilden und sich hochwertige Mietflächen sichern zu können. Andernfalls müssten Kompromisse in Kauf genommen werden, wobei dies meist contraire zu der ursprünglichen Intention steht.
Es ist gleichzeitig zu erwarten, dass sich auch außerplanmäßige Verfügbarkeiten auftun, wie etwa die großflächigen Untervermietungen einiger österreichischer Großbanken in den vergangenen 24 Monaten. Zwar wurden diese statistisch nicht in den Vermietungsleistungen erfasst (da es sich um bereits vermietete Flächen handelte), sie stabilisierten jedoch das Marktgefüge oberhalb der 4 % Grenze der Leerstandsquote und boten vielen Nutzern attraktive Flächen in guten bis sehr guten Lagen.
Inwiefern nun ein Wirtschaftsabschwung den Wiener Markt für Büroflächen beeinträchtigen könnte, ist aufgrund der Vielfältigkeit der Einflussfaktoren und der Schnelllebigkeit der Prognosen derzeit nicht professionell einzuschätzen. Üblicherweise fördert eine solche Trübung der Wirtschaftsaussicht das Kostenbewusstsein der Unternehmen und damit auch den Verbleib am bestehenden Standort, da mit einer Übersiedlung oftmals hohe Initialkosten assoziiert werden. Zu erwarten ist jedoch, dass das Streben nach einer Neuausrichtung der Büroräumlichkeiten – wie zum Beispiel die Optimierung der Flächengröße, eine Standortverbesserung, Steigerung der Flächenqualität, Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsfaktoren bei der Immobilienauswahl - ein anhaltendes Motiv für einen Umzug ist und der Vermietungsmarkt sich auch im kommenden Jahr ähnlich dynamisch wie 2022 zeigen dürfte.