Historische Gärten und Gartendenkmäler

„Historische Parkanlagen als lebende und schützenswerte Museen“ ist das Thema von Dipl.-HLFL-Ing. Gerd Koch, Direktor-Stv. der Österreichischen Bundesgärten. Wir freuen uns, ihn als Gastautor für unseren aktuellen Villenreport gewonnen zu haben:

 

Wer kennt sie nicht, die prachtvollen und aufwendig gestalteten Gärten der Kaiser, Könige und Fürstenfamilien?

 

Zur Zeit der Erbauung dieser Wandel- und Prachtgärten waren diese Anlagen ein Ausdruck der Macht, Größe und des Reichtums des jeweiligen Gartenbesitzers. Vor allem in der Barockzeit wollte man, ausgehend von Frankreich, den Untertanen zeigen, dass sich sogar die Natur dem Herrscher beugt und unterwirft. Dies wurde durch den strengen und formalen Schnitt der Bäume und Gehölze versinnbildlicht. Wien war, als damalige Kaiserstadt und Zentrum des Kaiserreichs, Anziehungspunkt des Hochadels und des später aufkommenden Großbürgertums. So entstanden eine große Zahl von herrschaftlichen Palais und auch die dazugehörigen Gärten mit aufwendigen Brunnenanlagen und Staffagebauten. Zu den berühmtesten Gärten in Wien zählten neben dem Augarten, den Gärten an der Hofburg und Schönbrunn als kaiserliche Gartenanlagen auch einige Gärten wie die der Familie Rothschild auf der Hohen Warte, die Gärten des Prinzen Eugen und der Schwarzenberg-Garten.

Der Garten war zur Zeit der Errichtung ein starker Ausdruck der Stellung des Eigentümers in Politik, Kultur und Gesellschaft. Erst in den vergangenen 20 Jahren wurde man sich der Bedeutung der hohen Kunst der Gartenarchitektur in Österreich bewusst. Durch die Gesetzesnovelle 2000, die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes, kam erstmals zum Ausdruck, wie wichtig Gärten im Bereich Kunst und Kultur sind, denn erst mit dieser Änderung im Gesetz konnten auch Gärten und Parkanlagen unter Denkmalschutz gestellt werden. Dies ist mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu sehen. Leider können nur 56 Gärten aus einer sehr großen Anzahl an noch existierenden wertvollen Gartenanlagen unter Denkmalschutz gestellt werden.

Diese Novelle räumt den Gärten erstmals jenen Stellenwert ein, den sie schon lange zuvor verdient hätten. Dadurch, dass Gärten als nicht schutzwürdig angesehen wurden, ist leider ein großer Teil der wertvollen Gartenanlagen in den vergangenen 50 Jahren verloren gegangen. Sie sind infolge von Verbauungen unwiederbringlich aus den Listen der grünen Denkmäler zu streichen.

Doch warum sehen wir diese Gärten in Zeiten der Globalisierung und der Möglichkeit, rasch ans andere Ende der Welt zu reisen, heute mit anderen Augen als noch vor 20 oder 30 Jahren? Zum einen ist es die Tatsache, dass die Städte immens schnell wachsen und der Zuzug in die Ballungszentren einem unaufhaltsamen Strom zu folgen scheint. So wird der Grünraum in der Stadt neben dem Ausbau der Infrastruktur zu einem der wichtigsten Faktoren, um die Lebensqualität zu erhalten. Da die städtische Grünraumplanung in fast ganz Europa hauptsächlich auf Kinder und Jugendliche aufgebaut ist, leisten gerade die historischen Parkanlagen in Zeiten, in denen die Bevölkerung immer älter wird, einen wertvollen Beitrag zur Aufrechterhaltung der Gesundheit. In diesen Gärten wird nicht auf Spiel und Sport gesetzt, hier gilt es, die Tradition des gärtnerischen Kunsthandwerks zu erhalten. Dies spiegelt sich in aufwendig gestalteten Blumenbeeten und exakt formierten Hecken und Alleen wider.


Historische Gärten sind so wie Schlösser, Palais, Kirchen und sämtliche Kunstwerke berühmter Maler ein besonderer Ausdruck der Kultur, der Geschichte und des Zeitgeistes jener Zeit, in der die Anlagen entstanden sind. Nur wenige Gärten sind noch in ihrer Gesamtheit erhalten und werden in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung gepflegt, doch diese geben einen wunderbaren Überblick über die Künste und die fachlichen sowie technischen Leistungen der damaligen Zeit. Da diese Anlagen zum Teil noch mit altem traditionellem und bewährtem gärtnerischem Fachwissen rekonstruiert, revitalisiert und gepflegt werden, sind sie durchaus mit den Erhaltungsarbeiten in der Baudenkmalpflege und den Restaurierungen von Gemälden vergleichbar. Somit steht den Gärten auch der Titel „Lebendes Museum“ zu. Als solches können sie durchaus bezeichnet werden, da nicht nur die Grundkonzeption der Anlagen, sondern auch ein Teil der Gehölze aus der Zeit der Erstanlage noch im Bestand zu finden ist. So werden einige der alten Bäume mit sehr hohem Aufwand gepflegt, um diese als Zeitzeugen solange es möglich ist zu erhalten, um auch künftigen Generationen zeigen zu können, wie alt Bäume in Österreich werden können, wenn sie in einer artgerechten Umgebung stehen und die erforderliche Pflege erhalten. So sind viele Besucher überrascht, wenn bei speziellen Führungen die doppelstämmige Eiche in Schönbrunn gezeigt und erklärt wird, deren Alter auf rund 400 Jahre geschätzt wird. Könnte diese Eiche Geschichten aus ihrem Leben erzählen, hätte sie Maria Theresia als Kind im Schönbrunner Schlosspark spielen gesehen. Doch diese Gehölze bedürfen auch eines besonderen Schutzes, da es vielen Besuchern, und hier vor allem Jugendlichen, oft ein Bedürfnis ist, sich gerade an ihnen mit diversesten Schnitzereien zu verewigen. Auch diese Art der Kunst ist ein Zeichen und Ausdruck des Zeitgeistes. Man betrachte nur die vielen Graffitis in den Städten. Alle historischen Gärten hatten eines gemeinsam: Sie waren ein Mittel, um anderen zu zeigen, welchen Stellenwert der Besitzer des Gartens in der Gesellschaft hatte. Dazu wurden in Gärten auch unzählige prunkvolle Feste mit Speis und Trank sowie künstlerischen Unterhaltungen wie Feuerwerk, Schaustellern und anderen der Zeit entsprechenden Aktivitäten veranstaltet. Diese Tradition der Feste, neuerdings Events genannt, erfreut sich einer Renaissance. Eines der berühmtesten und weit über die Grenzen Österreichs hinausgehenden Events ist das Konzert der Wiener Philharmoniker, das jedes Jahr im Schlosspark von Schönbrunn veranstaltet wird. Im Jahr 2018 wurde ein Rekord von rund 105.000 Besuchern verzeichnet – für die Gartenverwaltung eine alarmierend hohe Zahl. Doch diese Besucher kommen aus einem ganz bestimmten Grund in den Schlosspark. Sie sind allesamt an Kunst, Kultur und an den Gärten interessiert. Dies lässt sich auch an den vergleichsweise wenigen zurückgelassenen Abfällen wie Getränkeflaschen und Lebensmittelverpackungen sowie an den Schäden, die im Garten entstehen, sehr genau beobachten. Bei anderen Veranstaltungen in dieser Größenordnung, zum Beispiel einem Rockkonzert oder einer Sportveranstaltung, würde dies sicherlich ganz anders aussehen. Jedes Jahr langt eine Vielzahl an diversesten Anträgen zu den unterschiedlichsten Veranstaltungen in historischen Gärten ein, sodass es zunehmend schwieriger wird, eine richtige Linie zu finden, um die Gärten für Kunst, Kultur und Gesellschaft zu öffnen, jedoch auch die Substanz der Gartenanlage vor Zerstörung zu schützen. So ist die Erhaltung historischer Gärten in unserer Zeit eine große Herausforderung. Zum einen sind diese Gärten aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit des Denkmalschutzes in ihrer ursprünglichen Ausgestaltung und Substanz zu erhalten, zum anderen ist es aber auch die Aufgabe der Gartenverwaltungen, die Gärten für den Tourismus und die Bevölkerung in einem Zustand zu erhalten, dass die Geschichte weiterhin erlebbar ist und sie für Spiel, Sport und Spaß benützbar sind. So ist es auch unter dem Aspekt der ständig steigenden Touristenzahlen eine besondere Herausforderung, die Besucherströme so zu lenken, dass keine Abkürzungen über Rasenflächen und Blumenbeete genommen werden, denn dies führt in kürzester Zeit zu extremen Schäden, die nur sehr aufwendig wieder saniert werden können. So wird ein kleiner Trampelpfad schnell zu einem breiten, ausgetretenen Weg. Derartige Schäden in den Gartenlagen, die durch reine Übernutzung durch den Tourismus und zum Teil auch durch die Schnelllebigkeit des 21. Jahrhunderts entstehen, können durch einfache Maßnahmen wie verständliche, einfache, plakative Beschilderungen verhindert werden.

Jedoch sind Beschilderungen nur so wirksam wie die Besucherinnen und Besucher diese sehen, verstehen und akzeptieren wollen. Mit dem Slogan vieler Städte „Die Stadt gehört dir“ hat ein Teil der Gesellschaft leider die Botschaft erhalten, dass ich alles tun und lassen kann, da die Stadt ja mir gehört. Dieser Trend macht es den Gartenverwaltungen von Jahr zu Jahr schwerer, die Gärten ihrem ursprünglichen Gedanken nach zu erhalten und als ruhigen Erholungsraum zur Verfügung zu stellen. So sehen vor allem Jugendliche die großzügigen, gut gepflegten Rasenflächen nur noch als Picknick- und Partyzonen und bedenken nicht, dass dieser Grünraum allen an Gärten, Pflanzen und Freiraum interessierten Menschen in einem sauberen und gepflegten Umfeld zur Verfügung stehen soll. Dieser Trend hat sich in den vergangenen Jahren so verstärkt, dass die Reinigungsleistungen nach regelmäßigen Zusammentreffen von Jugendlichen teilweise ausgelagert werden müssen, da gärtnerisches Fachpersonal nicht ständig zur Beseitigung der Überreste der nachmittäglichen- und abendlichen Partys abgezogen werden kann. Aber nicht nur der Personaleinsatz, sondern auch der hohe finanzielle Aufwand durch Müllentsorgung ist ein nicht zu vergessender Faktor.

So ist es für jede Gartenverwaltung, die sich mit dem Erhalt von historischen Gärten beschäftigt, eine spannende Herausforderung, allen Ansprüchen gerecht zu werden. Zum einen ist die Anlage für den Tourismus so attraktiv wie möglich zu gestalten und zum anderen sollten ruhesuchende Besucherinnen und Besucher genauso ihr Plätzchen im Park sowie der Sportler seine ausgedehnten und verkehrssicheren Laufstrecken vorfinden. Wenn sich alle Beteiligten, die die Gärten für ihre individuelle Nutzung besuchen, an die wenigen Regeln halten und etwas Rücksichtnahme auf andere Besuchergruppen und die wertvollen und kostbaren Grünoasen nehmen, ist das gut miteinander verknüpfbar – so wie es auch in Museen gelebt wird.

Schließlich aber ist der historische Garten in der Stadt nicht nur Ort der Ruhe, der Kunst, Kultur und für Veranstaltungen beziehungsweise Sport, sondern leistet in den immer wärmer und heißer werden Sommermonaten auch einen unbezahlbaren kleinklimatischen Klimaausgleich. So ist der Garten nicht nur zur Erholung und Entspannung für den gestressten Büromenschen zu sehen, sondern wird uns vor allem einen wertvollen Beitrag zum angenehmen Aufenthalt in den Städten leisten. Als wertvolles „lebendes Museum“ von hohem kulturpolitischem Wert spielt der Garten somit in Zeiten des Klimawandels auch zusehends eine wichtige Rolle in der Stadtklimapolitik.

 

(Dieser Gastbeitrag wurde entnommen aus unserem aktuellen Villenreport.)