Stabilisierung am Wiener Zinshausmarkt in Sicht? – Philipp Maisel im Gespräch

Stabilisierung am Wiener Zinshausmarkt in Sicht

Stabilisierung am Wiener Zinshausmarkt in Sicht? – Philipp Maisel im Gespräch

Fotos: Christian Steinbrenner

„Die Durchschnittspreise liegen nach einem Peak aktuell wieder auf dem Niveau von 2020, während sich die Durchschnittsrenditen in den letzten beiden Jahren deutlich gesteigert haben.“

Philipp Maisel, Teamleiter Zinshaus, Investment, OTTO Immobilien


Herr Maisel, was war für Sie bei den Ergebnissen im aktuellen Zinshaus-Marktbericht die größte Überraschung?

Eine Überraschung war der deutliche höhere Anteil an Share Deals. Mittlerweile wird fast ein Drittel der Zinshaustransaktionen per Übertragung von Gesellschaftsanteilen durchgeführt. Das spiegelt einerseits die zunehmende Professionalisierung des Zinshaussegmentes wider und unterstreicht andererseits das gestiegene Kostenbewusstsein, da Share Deals geringere Transaktions-Nebenkosten verursachen.

Und was war die größte Enttäuschung?

Sicherlich der starke Rückgang an Transaktionen; im Jahresvergleich betrug das Minus des Transaktionsvolumens über 50%. Man hat während des Jahres das verringerte Marktgeschehen natürlich gemerkt, aber einen so deutlichen Rückgang schwarz auf weiß zu sehen ist noch einmal etwas anderes.

Würden Sie die Zahlen eher als Stabilisierung deuten oder schon mit Optimismus in die Zukunft blicken?

2023 hatten wir über alle Wiener Bezirke einen eindeutigen Rückgang am Zinshausmarkt. Nach dem ersten Quartal 2024 gehen wir von einer Stabilisierung für das aktuelle Jahr aus, vorausgesetzt die angekündigten Zinssenkungen der EZB treten wie erwartet ein.

Nach dem dramatischen Rückgang der Transaktionen im Vorjahr, wann werden wir wieder an frühere Jahre anschließen können?

Um die aktuelle Situation einzuordnen: In den Hoch-Zeiten hatten wir jährlich zwischen 700 und 900 Transaktionen, jetzt stehen wir bei knapp 300. Im Kontext der aktuellen Entwicklungen denke ich, dass wir uns in langsamen Schritten mittelfristig in Richtung 500 Transaktionen pro Jahr bewegen werden. Die hohen Transaktionsanzahlen waren vor allem von der lang anhaltenden Nullzinsphase getrieben und es erscheint wenig wahrscheinlich, dass das Zinslevel in absehbarer Zeit wieder in solch niedrige Regionen kommt.

Welcher Zinshausbesitzer in Wien darf sich angesichts der Lage seines Hauses besonders glücklich schätzen?

Im Grunde jeder Zinshauseigentümer – nach unserer Definition gibt es nur mehr rund 13.500 Zinshäuser in Wien und es gibt nach wie vor viele Unternehmen und Privatpersonen, die am Zinshaus Interesse haben. Besonders glücklich sind wohl jene Eigentümer, die keine Hypothek mit variablen Zinsen auf ihr Objekt aufgenommen haben und somit keine deutlich gestiegenen Zinszahlungen an die Bank leisten müssen. Lagenmäßig liegen derzeit die Bezirke innerhalb des Gürtels im Trend.

Bislang war der Markt ja sowohl auf Käufer- als auch auf Verkäuferseite von Zurückhaltung geprägt. Erwarten Sie hier für die kommenden Monate eine Belebung der Transaktionszahlen?

Das erwarten wir durchaus für das laufende Jahr und das erste Quartal gibt Anlass zu leichtem Optimismus – es finden wieder mehr Besichtigungen statt und es werden häufiger als im vergangenen Jahr Kaufangebote gelegt.

Zinshaus Preis und Rendite Durchschnitt Wien



Werden die gesunkenen Preise und gestiegenen Renditen den Markt kurzfristig beleben?

Definitiv, eigenkapitalstarke Investoren kehren verstärkt auf den Markt zurück. Viele dieser Akteure waren in den Marktverhältnissen vor der Zinswende in ihrer Entscheidungsfindung zu langsam, um konkurrenzfähig zu sein. Nun haben Stiftungen und Family Offices mehr Zeit, um aus einem größeren Angebot die passenden Objekte auszuwählen. Auch in guten Lagen innerhalb des Gürtels sehen wir teilweise Ankaufsrenditen von rund 3% und in diesem Renditesegment stellt das Zinshaus für Investorinnen und Investoren wieder ein attraktives Investitionsgut dar.

Werden als Käufer wieder verstärkt die „Profis“ auftreten? Oder hält sich gerade diese Gruppe zurück?

Der Marktanteil der professionellen Zinshauseigentümer und -entwickler ist leicht rückläufig. Käuferseitig ist diese Gruppe nach wie vor in einer deutlich marktbeherrschenden Position (rund 80%), allerdings ist dieser Anteil um rund 10% zurückgegangen.

Sie deuten an, dass sich viele Interessierte wieder auf bereits sanierte Zinshäuser innerhalb des Gürtels konzentrieren werden. Führt das aufgrund des geringeren Angebots nicht automatisch zu steigenden Preisen?

Im aktuellen Marktumfeld führt es noch nicht zu steigenden, aber zu weniger stark sinkenden Preisen, da es aktuell ein durchaus repräsentatives Angebot an voll entwickelten Objekten in guten Lagen gibt.

Werden die noch nicht sanierten Zinshäuser trotzdem attraktiv?

Das ist im Grunde eine Preisfrage; nach wie vor gibt es eine große Interessentengruppe, die auf der Suche nach Objekten mit Investitionsrückstau ist. Durch die Zurückhaltung der Banken bei Immobilienfinanzierungen ist es für diese Investoren aber schwerer geworden, für den Verkäufer attraktive Preise aufzurufen.

Die Neubautätigkeit geht zurück. Belebt dieser Umstand das Interesse an Zinshäusern stärker?

Ja, auf alle Fälle. In der Vergangenheit betrug die Wohnungs-Neubauleistung pro Jahr zwischen 15.000 und 20.000 Wohneinheiten. Diese Fertigstellungen halbieren sich aktuell; so werden wir 2024 und 2025 gesamt nur rund 15.000 Fertigstellungen sehen. Da Wien unvermindert weiterwächst, wird auch die Nachfrage nach Gründerzeitwohnungen sowohl zur Miete als auch zum Kauf weiter ansteigen.

Welche Statistik würden Sie als „typisch“ für die derzeitige Entwicklung betrachten und deshalb als Grafik bzw. Tabelle für die ZZ heranziehen?

Die Durchschnittspreise liegen nach einem Peak aktuell wieder auf dem Niveau von 2020, während sich die Durchschnittsrenditen in den letzten beiden Jahren deutlich gesteigert haben. (Siehe Grafik oben.)

Herr Maisel, vielen Dank für das Gespräch!

 
Philipp Maisel, OTTO Immobilien

Mag. Philipp Maisel:

☎️ +43 1 512 77 77 340
📧 p.maisel@otto.at

⚪️ Teamleiter Zinshaus, Investment


 

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